Nach einer Weile gab ich auf. Stattdessen sahen wir uns im Land um - soweit es von der israelischen Armee oder den Falangisten kontrolliert wurde. Wir fuhren in Richtung Tripoli nach Jubail, dem biblischen Byblus. Ich glaube, wir waren die ersten Israelis, die sich dort blicken ließen. Abends waren wir bei reichen Maroniten (Mitgliedern einer christlichen Sekte) in Junia zu einer Party eingeladen. Irgend jemand feierte Geburtstag, wir aßen und tranken eine Menge und führten auf Englisch und Französisch hochgebildete Gespräche mit einer Gruppe kultivierter Menschen, Kaufleuten und Künstlern. Niemand nahm die geringste Notiz vom Donnern der Granaten und Bomben im nahen Beirut.

Auf dem Höhepunkt der Festlichkeiten fragte mich einer meiner Gastgeber, ein wohlhabender maronitischer Kaufmann, im Zustand fortgeschrittener Alkoholisierung: "Worauf wartet ihr denn eigentlich noch? Ihr müßt 'rein nach Westbeirut!"

"Wozu?"

"Na, um sie alle zu töten, bis zum letzten Palästinenser!"

"Frauen und Kinder auch?" fragte ich.

"Alle!"

Im ersten Moment dachte ich, das sei eine Art Witz. Aber der Mann meinte es ganz ernst.

Ein verrücktes Land.

Auf dem Rückweg, etwa um Mitternacht, hatte ich eine Eingebung. Wir wohnten in Ostbeirut nahe der Front im Hotel Alexandre, dem Mekka aller Journalisten im Osten, nicht weil es Luxus geboten hätte - den gab es gewiß nicht -, sondern weil es das einzige Hotel in diesem Stadtteil war und weil sein Dach einen Logenplatz bot für die nächtliche Vorstellung. Täglich kam etwa um Mitternacht die israelische Luftwaffe, setzte über Westbeirut Leuchtkugeln und warf Bomben ab. Einige gingen nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt nieder.

In dieser Nacht stieg ich jedoch nicht zum Dach hinauf. Ich ging in die Telefonzentrale des Hotels und rief Paris an. Die Nummer kannte ich auswendig, denn ich hatte sie in den letzten Jahren Hunderte von Malen gewählt: Ich rief das Büro von Issam Sartawi an, dem Mann, den Arafat beauftragt hatte, die geheimen Kontakte zu israelischen Friedensaktivisten zu unterhalten, und der mein guter Freund geworden war.

In jenen Tagen war das Telefon rund um die Uhr besetzt, weil Sartawis Büro zur wichtigsten Verbindung zwischen Arafat im belagerten Beirut und der westlichen Welt geworden war. Sartawi meldete sich sofort. Ich erklärte ihm, daß ich in Ostbeirut sei und daß ich Kontakt zu Arafats Büro im Westteil der Stadt suche. Er gab mir die Telefonnummer der derzeitigen Geschäftsräume und versprach auch, selbst im Büro Arafats anzurufen, um die Vereinbarung eines Treffens zu erleichtern.

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