Inzwischen war es zwei Uhr morgens. Ich ging hinauf in mein Zimmer und wählte die Nummer. Gleich beim ersten Läuten meldete sich eine sehr arabische Stimme. "Hier spricht Uri Avnery aus Israel", sagte ich auf Englisch, "ich bin in Ostbeirut und ich würde gern den Vorsitzenden treffen".

"Wo wohnen Sie?" fragte die Stimme. Ich sagte es ihm.

"Ich werde fragen und zurückrufen", beschied mich die Stimme.

Ich legte mich schlafen, ohne große Hoffnung. Etwa eine Stunde später weckte mich das Klingeln des Telefons. Im Halbschlaf nahm ich den Hörer ab. "Spreche ich mit Uri Avnery?" fragte eine andere Stimme.

"Ja."

"Möchten Sie Englisch oder Hebräisch sprechen?"

"Wie Sie wollen."

Die Stimme ging zu Hebräisch mit arabischem Akzent über. "Der Vorsitzende will Sie heute empfangen. Um welche Zeit würde es Ihnen passen?"

Ich schoß hoch, plötzlich hellwach. Ich mochte meinen Ohren nicht trauen. War das Wirklichkeit?

Verzweifelt mühte ich mich, meine Gedanken zu sammeln. "Wie wäre es mit zehn Uhr?" fragte ich.

"Gut. Welchen Übergang wollen Sie nehmen?"

"Ich habe keine Ahnung. Was schlagen Sie vor?"

"Kommen Sie zum Übergang am Museum. An unserem Kontrollpunkt fragen Sie nach Ahmed. Er erwartet Sie um zehn Uhr."

Ich legte auf. Das war also erledigt. Ich ging wieder schlafen. In der Armee hatte ich gelernt, in jeder Situation zu schlafen, und ich schlief auch jetzt. Aber ich schlief unruhig. In meinem Kopf rumorten zahllose Fragen. Was für Folgen würde das haben? Wie gefährlich war der Übergang? Wie sollte ich es anpacken?

Wieder klingelte das Telefon. Es war Issam aus Paris. Er wollte wissen, was sich ergeben hätte. Als ich es ihm sagte, klang er besorgt. "Passen Sie auf1, sagte er, "ich rufe unsere Leute dort an und versuche, so weit wie möglich sicherzustellen, daß da nichts schiefgeht."

Gegen sechs Uhr früh hatte ich wieder eine Eingebung. Ich wußte, daß sich mein Freund Gerholt Arentz, der deutsche Kameramann, in Beirut genau auskannte. Er hatte eine zeitlang als Reporter den Krieg beobachtet. Ich rief ihn zu Hause an und teilte ihm mit, ich ginge heute Yassir Arafat besuchen. Ob er mir nicht einen guten Rat geben könne, wie ich dort hinkäme? "Sie nehmen am besten ein libanesisches Taxis. Sehen Sie zu, daß die Israelis Sie nicht erkennen, und den Libanesen sagen Sie, Sie seien Deutscher", meinte er.

Ich legte mich noch einmal hin, und noch einmal klingelte das Telefon. Es war Gerholt. "Ich muß gepennt haben, als ich vorhin mit Ihnen sprach!" rief er. "Hören Sie, das ist ein Weltknüller! Ich will dabei sein. Kann ich nicht mitkommen?"

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