des israelischen Kabinetts strafrechtliche Ermittlungen gegen mich eingeleitet worden waren.)

So setzten wir uns also alle in lockerer Runde zusammen, Arafat zwischen Sarit und mir auf dem Sofa, Anat auf dem Fußboden, drei oder vier palästinensische Funktionäre auf Stühlen rings im Raum verteilt. Von Zeit zu Zeit mischten die Leute sich ein, jeder unterbrach Arafat, wenn es ihm gerade paßte; zwischendurch kam auch mal einer herein und legte dem Vorsitzenden dringende Papiere zur Unterschrift vor. Alles war sehr unformell, kaum das, was ein Europäer oder Amerikaner sich unter einer Konferenz mit dem obersten Führer einer Nation vorstellen mag.

Und doch. Bald begriff ich, warum Arafat der Führer war. Jedermann behandelte ihn mit äußerstem Respekt. Es ist ein einzigartiger Zug an diesem Mann, der ihm, wie ich glaube, diese Hochachtung sichert. Er denkt schnell, erfaßt die Situation sofort. Er ist hochintelligent, aber nicht intellektuell. Was er ausstrahlt, zuerst und zumeist, ist das Pathos des palästinensischen Lebensgefühls. Man spürt, daß er in gewisser Weise die Tragödie des palästinensischen Volkes verkörpert, ja, daß er die Stimme des Volkes der Palästinenser ist.

Hinzu kam die bemerkenswerte Tatsache, daß er überhaupt da war. Der Krieg war für keinen Palästinenser im Libanon überraschend gekommen. Die israelische Armee brauchte sechs lange Tage, um den Stadtrand von Beirut zu erreichen. Arafat hätte reichlich Zeit gehabt, sich nach Tripolis, Damaskus oder anderswo in der arabischen Welt abzusetzen. Doch er blieb in der belagerten Stadt und teilte neunundsiebzig Tage und Nächte lang mit seinen Kämpfern Gefahren und Entbehrungen, wohl wissend, daß es das vielleicht wichtigste Kriegsziel Ariel Scharons war, ihn persönlich zu beseitigen. Dies Heldenstück sollte er ein Jahr später wiederholen, bei der Belagerung von Tripoli.

Dem persönlichen Mut und der Integrität eines Führers ist ein großer Teil der Achtung zu danken, die er genießt. Das gilt überall und in der arabischen Welt vielleicht noch mehr als in anderen Nationen.

Arafat hatte nichts Anmaßendes. Er gab sich ganz ohne Förmlichkeit. Während des ganzen zweistündigen Geprächs belegten ihn die Kinder des Gastgebers mit Beschlag, turnten auf ihm herum, umarmten ihn, versuchten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie schienen an ihn gewöhnt zu sein. Und offenbar störten sie Arafat nicht, der keine eigenen Kinder hat. Diese Duldsamkeit gegenüber kleinen Kindern und ihren Possen habe ich bei Arabern viele Male beobachtet.

Als ich später die Bilder von Arafat mit den Kindern in den Armen veröffentlichte, riefen sie in Israel große Entrüstung hervor. Arafat, der Terrorist, Führer einer Organisation, die so viele Gewaltakte verübt hatte, bei denen Kinder umgekommen waren - wie konnte einer es wagen, ihn als den guten

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