Kollisionskurs

4

Eines Tages, wenn ich alt bin, möchte ich ein Buch über die Geschichte unseres Landes schreiben.

Dann, so hoffe ich, wird Frieden herrschen. Die beiden Staaten Israel und Palästina werden Seite an Seite Zusammenleben. Die Menschen werden hin und her über die offene Grenze gehen, die nicht mehr als ein Strich auf der Landkarte ist. Junge Leute von beiden Seiten werden Zusammenkommen und über vielfältige Formen der gemeinsamen Zukunft beraten, gemeinsame Unternehmen werden überall in einem blühenden Nahen Osten Geschäfte machen.

Eins allerdings wird fehlen: Ein Geschichtsbuch für die Schulkinder beider Staaten. Ein Bild von der Geschichte unserer gemeinsamen Heimat, mit dem die jungen Menschen, die israelischen wie die palästinensischen, sich identifizieren können.

Der Gedanke kam mir, als ich eines Tages ein Geschichtsbuch für britische Kinder durchblätterte. Ich fragte mich: Was lernen britische Kinder über die Schlacht von Hastings? Mit wem lernen sie sich zu identifizieren - mit den Sachsen, die die Schlacht und ihre Freiheit verloren, oder mit den Normannen, den fremden Eindringlingen, die später in der englischen Geschichte eine so große Rolle spielten? Ich stellte fest, daß der Verfasser das Problem auf sehr einfache Weise gelöst hatte: Er lehrte die Kinder, sich mit beiden zu identifizieren. Die moderne britische Nation, die heutige britische Kultur ist das Ergebnis sächsischer und normannischer Einflüsse. Das moderne Englisch ist ein Gemisch aus germanisch-angelsächsischen und franco-normannischen Sprachen. Wilhelm der Eroberer und König Harold, beide sind Väter der britischen Nation.

*

Die Geschichte könnte vor Tausenden von Jahren beginnen, als die Einwohner des damaligen Kanaan eine semitische Kultur ähnlich der ihrer Nachbarn schufen. Andere semitische Stämme, die man später Kinder Israel nannte, sickerten ins Land ein. Sie waren nicht stark genug, um die befestigten Städte der Kanaaniter zu erobern, wie ihre Chronisten im ersten Kapitel des Buches der Richter einräumten, sie ließen sich deshalb im offenen Gelände nieder, besonders in den bergigen, schwer zu kultivierenden Gebieten. In der Folge vieler Generationen mischten sich diese Stämme mit den früheren Bewoh-

28