Geschichte, die weitergehen wird, wenn wir alle mit unseren Hoffnungen und unseren Kämpfen längst der Vergangenheit angehören.

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Doch das umstrittenste Kapitel dieses noch ungeschriebenen Buches wird natürlich das über die Geschichte der letzten hundert Jahre sein.

Während der ungezählten Stunden, die ich im Gespräch mit militanten Palästinensern zugebracht habe, ging es unweigerlich immer wieder um Teile dieser Geschichte. Ich war bemüht, das zu vermeiden, aber es reizte mich auch, wie Israels Feinde dieses Kapitel gemeinsamer Geschichte sehen, nämlich ganz, ganz anders als wir Israelis. Im allgemeinen bat ich sie, diesen Streit auszuklammern. "Über das, was der Vergangenheit angehört, können wir uns nicht einigen", sagte ich, "wir wollen uns also auf die Zukunft konzentrieren und uns darauf verständigen, daß wir uns über das, was geschehen ist, nicht verständigen können." Das war eine nützliche Regel, und grundsätzlich hielten wir uns auch daran.

Aber das ist nur vorübergehend ein Ausweg. Früher oder später werden wir uns dieser Geschichte annehmen müssen, die uns eint und trennt. Die nächste Generation wird lernen müssen, sie so zu behandeln, daß sie für beide Seiten akzeptabel wird, etwa wie Deutsche und Franzosen lernen müssen, ihre jahrhundertelange "Erbfeindschaft" als Geschichte der beiden Völker anzunehmen, die jetzt in einem gemeinsamen Europa Zusammenleben.

Wie war es zu diesem Konflikt gekommen? Wer hatte recht? Und wer unrecht?

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Eine der besten Beschreibungen des israelisch-palästinensischen Konflikts stammt von dem Historiker Isaac Deutscher. Er erzählte die Geschichte von dem Mann, dessen Wohnung in Flammen steht. Um sein Leben zu retten, springt er aus dem Fenster; dabei fällt er auf einen nichtsahnenden Passanten, der schwer verletzt wird. Der Mann ist überzeugt, absolut richtig gehandelt zu haben: er hat nur sein Leben gerettet, er wollte niemanden verletzen, er wußte nicht einmal, daß da unten jemand war. Aber für den Passanten ist uninteressant, was in der brennenden Wohnung geschah. Er weiß nur, daß ihm ohne eigenes Verschulden ein schreckliches Unrecht angetan wurde.

Wie jedem Vergleich, der einen unerhört vielschichtigen Konflikt vereinfacht darstellen will, haftet auch diesem manche Unzulänglichkeit an. Aber er mag dazu dienen, die Wurzeln des israelisch-palästinensischen Konflikts zu erklären.

Anders betrachtet kann man die Zionisten auch mit einem Manne vergleichen, dem im eigenen Haus tödliche Gefahr droht. Auf der Flucht vor dieser

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