Reiches, gehörte zu Syrien, das Teil der arabischen Welt war, und die wiederum war ein Teil der ausgedehnten Landmasse Asiens und Afrikas, die gerade im Begriff stand, ihr Joch abzuschütteln und die Schwelle zur nationalen Freiheit zu überschreiten. Die Palästinenser und ihre Nachbarn waren Teil dieser großen historischen Bewegung.

Während Herzls geistige Vorläufer, Zeitgenossen und Erben die zionistische Theorie schufen und ihre Gedanken formulierten, legten arabische Denker und Dichter in Palästina und den umliegenden Ländern die Fundamente des arabischen Nationalismus.

Die jungen arabischen Offiziere, die im türkischen Heer geheime Zellen bildeten, die jungen Poeten, die "Arabien, erwache" riefen, ahnten nicht in ihren schlimmsten Alpträumen, daß irgendwo in einem kleinen Saal in einer kleinen Stadt in einem kleinen Land Mitteleuropas ein Kongreß stattfand, der ihr Leben, das Leben ihrer Familien, das Leben ihres Landes ändern und unsägliches Elend über sie bringen sollte. Die wenigen Juden, die sie kannten - 1881, als die ersten neuen Einwanderer kamen, gab es in Palästina etwa 24.000 Juden, die mit einer halben Million Arabern zusammenlebten -, unterschieden sich nicht besonders von der übrigen Bevölkerung, denn es gab ebenso wie moslemische und christliche auch jüdische Araber in Palästina. Damit also begann die Tragödie. Zwei große historische Bewegungen entstanden ungefähr um die gleiche Zeit, jede mit höchst lobenswerten Zielen und Idealen - nationale und menschliche Erlösung, Freiheit, kulturelle und soziale Wiedergeburt -Jede bestrebt, diese Ziele auf dem einen, engen Stück Land zu verwirklichen, jede in völliger Unkenntnis der anderen.*

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Wenn ich an die Anfänge des Konflikts denke, formt sich in meinem Kopf immer ein bestimmtes Bild. Es stammt aus einem alten amerikanischen Film über skrupellose Magnaten, die um die Kontrolle über die Eisenbahn kämpfen. In dem Film rasen zwei Züge, jeder mit Söldnern der sich befehdenden Eisenbahngesellschaften beladen, auf der einspurigen Strecke aufeinander zu. Die Söldner wissen nicht, was ihnen bevorsteht, das Publikum aber weiß, daß die Züge bald zusammenstoßen und die Söldner sich eine blutige Schlacht liefern werden. Genau das ist in unserem Land geschehen.

Als die zionistische Bewegung geschaffen war, begann sie, Siedler nach Palästina zu schicken. Gefördert vom Schicksal der Juden in Europa schwoll das Tröpfeln zum großen Strom an. Einwanderer, von hehrsten Idealen beseelt,

* Mit den Ursachen des Konflikts hat sich der Autor ausführlicher in seinem Buch "Israel ohne Zionisten" befaßt (Bertelsmann Sachbuchverlag, Gütersloh 1969).

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