Von der Irgun zur Friedensbewegung

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Ich weiß nicht mehr, wann ich angefangen habe, mich mit dem Palästi¬

naproblem zu befassen.

Aufgewachsen bin ich in einer Straße, die die offizielle Grenze zwischen Tel Aviv und Jaffa bildete. Beide Straßenseiten waren jüdisch, aber ein paar Häuserblocks weiter fing das eigentliche Jaffa - die Araberstadt - an. Die beiden Städte, die jüdische und die arabische, waren praktisch zwei Bezirke einer Stadt, aber sie lagen weiter auseinander als zwei Städte auf verschiedenen Kontinenten. Ein normaler Jude in Tel Aviv konnte wochenlang herumlaufen, ohne einen Araber zu Gesicht zu bekommen. Sehr wenige Juden besuchten die Araberstadt, und dann auch nur in solchen Geschäften, wie es sie zwischen Juden und Arabern gab. Einzige Ausnahmen waren das PassahFest, an dem die Tel Aviver Juden massenhaft in Jaffa einfielen, um Brot zu kaufen, das in Tel Aviv nicht zu haben war, und am Yom Kippur, an dem manche Juden in Jaffa essen gingen.

Als ich vierzehn war, verließ ich die Schule und ging bei einem Rechtsanwalt in Tel Aviv arbeiten. Einige Gerichte und Regierungsbehörden lagen in Jaffa, und alle paar Tage verbrachte ich dort einige Stunden, traf arabische Beamte, redete mit arabischen Kollegen, schlenderte durch die Straßen, roch die Düfte des Orients, aß arabische Süßigkeiten, lauschte der seltsamen Sprache. Ich mochte sie.

Seit damals war das, was später als Palästinenserproblem bekannt wurde, für mich niemals etwas Abstraktes. Es meinte Menschen, Leute, die ich als Teenager zumindest oberflächlich gekannt hatte; es meinte Geräusche und Gerüche, die zur Landschaft meiner Jugend gehörten. Anders als die meisten Israelis von heute brauche ich nicht erst Bücher und Manifeste zu lesen, um zu wissen, daß in diesem Lande zwei Völker wohnen und daß sie hier schon seit langer Zeit Seite an Seite leben.

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Noch ehe ich fünfzehn wurde, trat ich der Irgun Tzvai Leumi bei (der nationalen Militärorganisation, allgemein Irgun genannt), die zu der Zeit die einzige jüdisch-nationalistische Untergrundorganisation war. Ich trat bei, weil ich fand, das britische Kolonialregime habe kein Recht, unser Land zu beherrschen. Im Jahre 1938 hängten die britischen Behörden Schlomo Ben-Yosef, einen jungen Juden, der als Vergeltung für eine arabische Gewalttat gegen

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