Mein Feind, mein Freund

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Es klopfte leise an der Tür.

Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich öffnete.

Der Mann sah jünger aus, als ich erwartet hatte, etwa 34. Er hatte sanfte dunkle Augen, schwarzes Haar, ein ziemlich rundes Gesicht. Er war konservativ gekleidet, nach englischer Art. Er sah ganz und gar nicht wie ein gefährlicher Terrorist aus.

Ich sagte ahlan wa-sahlan. Willkommen.

Er trat ins Zimmer, blickte sich rasch um, sah, daß ich allein war.

Wir sahen uns an, zwei Menschen in einem Londoner Hotelzimmer. Ich glaube, wir mochten uns.

Wir waren Feinde.

*

Es war eine gefährliche Begegnung. Wir hatten beide ein Risiko auf uns genommen.

Er kannte meinen Namen und wofür ich eintrat. Aber er konnte nicht sicher sein, daß die ganze Sache nicht eine Falle des Mossad war. Der israelische Geheimdienst hatte schon mehrere Funktionäre der PLO umgebracht. Manche waren in den Straßen Beiruts durch Bomben getötet worden. Einige waren von israelischen Kommandos in ihren Wohnungen in der libanesischen Hauptstadt überrascht und umgebracht worden. Einige waren in Europa erschossen oder in die Luft gesprengt worden. Er konnte nicht sicher sein, daß der Mossad nicht mich oder meinen Namen mißbraucht hätte, um ihn in einen Hinterhalt zu locken.

Es gab noch ein zweites Risiko für ihn. Er war der erste PLO-Offizier, der sich je mit einem Israeli, einem Zionisten verabredet hatte. Für manchen Palästinenser war das ein Akt des Verrates, der mit dem Tode zu bestrafen war. Diese Drohung lastete wie eine dunkle Wolke auf allen weiteren Treffen - bis zum tragischen Ende.

Auch ich war nicht sicher.

Hier bot sich einer Terroristengruppe die gute Gelegenheit, einen bekannten Israeli, bis vor kurzem Mitglied der Knesset, zu kidnappen; er ließe sich gegen gefangene Palästinenser austauschen.

Keiner von uns konnte ganz sicher sein, daß nicht hinter der Tür Leute mit geladenen Waffen warteten.

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