Die Entwicklung eines palästinensischen Bewußtseins ist einem langen Marsch vergleichbar. Die Marschierer setzen sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort in Bewegung, aber je länger der Marsch dauert, um so mehr lichtet sich die Kolonne. Die einen streben mit entschlossenem Schritt voran, die anderen bleiben zurück und werden Nachzügler, während dazwischen die Masse der Marschierer läuft und jeder sein eigenes Tempo findet. Die einen nähern sich dem Ziel, während andere sich scheinbar kaum vom Start fortbewegt haben. Überdies geht der Marsch nicht über eine gerade Strecke. Wie ein Fluß, der dem Meer zustrebt, folgt er einem Zickzackkurs, umgeht Hindernisse, wendet sich nach rechts und links, scheint manchmal sogar zurück zu gehen, um eine neue Gasse zu finden. Für die interessierten Beobachter mag das frustrierend sein, aber so verlaufen nun einmal die großen historischen Bewegungen, die palästinensische Nationalbewegung vielleicht mehr als andere.

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Der Ausgangspunkt des langen Marsches war die Palästinensische Nationalcharta, ursprünglich beschlossen vom ersten Kongreß des Palästinensischen Nationalrates im Mai 1964, ergänzt vom vierten Kongreß des Rates im Juli 1968. Kein Dokument hat denen, die es schrieben, je mehr geschadet als dieses unglückselige Papier, das die wichtigste Propagandawaffe der israelischen Regierung war und ist. Es hat dem israelischen Establishment mehr geholfen, als es einer Armee von Panzern und einer Armada von Kampfflugzeugen je gelingen könnte.

Die Charta griff die Leitideen der palästinensischen Nationalbewegung seit ihren Anfängen auf, die man in die erste Zeit der britischen Besetzung Palästinas datieren kann - in der Annahme, daß der palästinensische Nationalismus bis zur Balfour-Erklärung nur ein Teil des großsyrischen oder panarabischen Nationalismus war. Sie wandte sich gegen den politischen Zionismus, gegen den Zustrom zionistischer Siedler, die eindeutig das Ziel hatten, in Palästina eine neue jüdische Nation und einen Judenstaat zu bilden. Sie argumentierte, die Balfour-Erklärung sei nicht rechtens, weil sie von einer Imperialmacht ohne Zustimmung der im Lande lebenden Menschen erlassen wurde, Palästina sei dreizehn Jahrhunderte lang ein arabisches Land gewesen.

Die Charta bestreitet die Existenz der jüdischen Nation und natürlich jedes jüdische Recht auf Palästina. Sie fordert die Errichtung eines Palästinenserstaates in ganz Palästina und die Austreibung aller Juden, die "nach der zionistischen Invasion" nach Palästina gekommen seien - womit nach allgemeiner Auffasung die Balfour-Erklärung von 1917 gemeint war (mit welcher der britische Außenminister Balfour den Juden eine nationale Heimstatt in Palästina versprach).

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