der Charta: die Zerstörung des Staates Israel. Die Schaffung eines solchen Staates in ganz Palästina würde natürlich die Auflösung Israels mit sich bringen.

Als praktisches Rezept ist der demokratische säkulare Staat so utopisch wie alles, was die Palästinenser vorher beschlossen hatten. Das Rezept würde bedeuten, daß man den Zustand des totalen Krieges, der nun seit drei Generationen herrscht, sozusagen über Nacht in einen Zustand des totalen Friedens verwandeln müßte, wie es ihn sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Darüber hinaus ordnet diese Formulierung die Juden in dieselbe Kategorie ein wie Moslems und Christen, sie definiert die Juden allein als Glaubensgemeinschaft und leugnet damit die jüdische oder israelische Nationalität.

Aus palästinensischer Sicht betrachtet brachte der neue Gedanke jedoch einen sehr bedeutenden Schritt vorwärts im Bewußtsein der Palästinenser. Die Israelis waren nicht mehr die Fremden, die man dorthin zurückschicken mußte, woher sie gekommen waren. Jetzt ging man davon aus, daß alle Juden im Lande gleichberechtigt mit Moslems und Christen der neuen Gesellschaft angehören würden. Das wurde später von Arafat und anderen ausdrücklich gesagt. Auf diesem Umweg erkannte die PLO das Recht der Juden an, im Lande zu leben, wenn auch nicht ihren Status als Nation mit dem Recht der nationalen Selbstbestimmung. Es war eine Etappe auf dem Marsch in die Realität, auch wenn die Israelis sie - begreiflicherweise - nicht als solche auffaßten.

Man kann es sich leicht machen und sagen, daß diese Vorstellung starb, als der nächste Schritt getan wurde, aber ganz so ist es nicht. Sie lebt weiter, sie ist nur in den Status eines Traums für die ferne Zukunft verwiesen worden. Nur ungern geben Palästinenser den Gedanken auf, daß das Land zwischen Meer und Jordanfluß ein Ganzes ist, und sie holen noch oft die Idee des demokratischen säkularen Staates hervor, den künftige Generationen verwirklichen werden. Das hat ihnen den nächsten Schritt nach vorn erleichtert; es hat den Schmerz des entscheidenden Bruchs mit der Vergangenheit gelindert.

Die nächste Phase wurde vom Oktoberkrieg 1973 eingeleitet. Inzwischen hatte die PLO den Rückschlag des "Schwarzen Septembers" erlitten - die Blitzaktion des jordanischen Regimes gegen eine Art PLO-Ministaat, der in Jordanien rasch heranwuchs. Daraufhin ließ sich die PLO in Beirut nieder und schuf ihren Ministaat dort neu.

Der Yom Kippur-Krieg 1973 gab dem Prozeß einen kräftigen Anstoß. Die anfängliche Überlegenheit der ägyptischen und syrischen Waffen und dann der Erfolg der israelischen Gegenoffensive an beiden Fronten beendete alle Träume, Israel in absehbarer Zukunft militärisch bezwingen zu können. Das Interimsabkommen zwischen Israel, Ägypten und Syrien und das amerikanische Bemühen um das Zustandekommen eines Interimsabkommens zwischen Israel und Jordanien ließen befürchten, daß König Hussein Teile der West

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