Itzhak Rabin ist ein kontaktarmer Mensch, er ist introvertierter als jeder andere Politiker, der mir über den Weg gelaufen ist. Jede Gabe der Geselligkeit geht ihm ab, und das weiß er wohl. Er denkt scharf und logisch, aber prosaisch. Ihm fehlt dieser Hauch von Phantasie, von Kreativität, der einen Politiker befähigt, über die Grenzen des real Existierenden hinauszublicken und etwas Neues zu schaffen. Man schreibt ihm gewöhnlich einen "analytischen Verstand" zu, aber, wie Abba Eban mir einmal recht maliziös sagte, "Analyse heißt Dinge auseinandernehmen, nicht zusammensetzen".

Rabin machte keine überflüssigen Worte. Als ich in sein Zimmer geführt wurde, wo er bereits wartete, stieg er sofort in die ernste Diskussion ein. Sie war ein intellektuelles Vergnügen, das fast zwei Stunden dauerte.

Gleich als erstes stellte er klar, welches die Basis unseres Gespräches sei. Ich sei nicht hier, um ihm "Bericht zu erstatten", denn das würde bedeuten, ich handelte in offiziellem oder halboffiziellem Auftrag. Ich handelte jedoch allein als Privatmann. Aber wenn ich als Privatmann interessante Leute träfe und meinte, der Ministerpräsident sollte erfahren, was sich bei solchen Begegnungen ergeben habe, dann sei es völlig in Ordnung, wenn ich es ihm erzählte, und er werde mir immer gern zuhören. Er billige meine Gespräche nicht, aber er habe keine Bedenken dagegen, daß ich sie führte, und er denke sogar, sie könnten sich vielleicht als nicht ganz wertlos erweisen.

Das war einigermaßen fair. Es machte meine Gespräche nach dem schwammig formulierten Gesetzestext automatisch legal. Es gab mir auch die Möglichkeit, mich bei ihm weiterhin um einen Sinneswandel in der Frage der Palästinalösung zu bemühen.

Er erklärte, warum er es ablehnte, ein Treffen mit Arafat in Betracht zu ziehen oder irgendwelche Verhandlungen, ja auch nur einen Dialog mit der PLO zu führen. Auf den ersten Blick war seine Argumentation vernünftig. Wenn man den ersten Schritt auf diesem Wege täte, müsse man bereit sein, das unumgängliche, letzte Ziel zu akzeptieren: einen Palästinenserstaat. Wenn man zu diesem Ziel nicht wolle - und das wolle er gewiß nicht -, sei es töricht, auch nur den ersten Schritt zu tun.

Damit waren wir gleich zu Beginn der Diskussion beim Kern der Sache. War die Schaffung eines Palästinenserstaates gut oder schlecht für die langfristigen Interessen Israels?

Ich brachte alle Argumente vor, die ich aufzubieten hatte. Ein Frieden, der über den kollektiven Willen von vier Millionen Palästinensern hinwegginge, könne unmöglich von Dauer sein. Von der Frage der Sicherheit her betrachtet wäre der Frieden mit dem palästinensischen Volk stabiler als der Frieden mit einem zutiefst unstabilen diktatorischen Regime in Amman.

Rabin blieb dabei, daß die Palästinenser niemals mit Israel Frieden schließen würden, daß jeder Palästinenser, der etwas anderes sage, nur heuchele. Wenn ich Verhandlungen mit ihnen befürworte, hülfe ich ihnen, in der internationa¬

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