Die Villa war sehr komfortabel. Sie diente dem Eigentümer, einem Mitglied der Gruppe Curiel, als Landsitz. Man zeigte uns unsere Schlafzimmer, wir richteten uns ein und versammelten uns dann im Salon. Curiel und seine Freunde plauderten ein Weilchen mit uns, um eine herzliche Atmosphäre zu schaffen; dann gingen sie alle. Wir waren allein - drei Palästinenser und vier Israelis, Feinde, die aus Beirut und Tel Aviv gekommen waren und sich nun gegenübersaßen an einem Tischchen voller Kaffeetassen und Süßigkeiten. Sartawi spielte mit einer masbahah, einer Kette von Gebetsperlen.

Das Gespräch dauerte zwei Tage, fast ohne Unterbrechung, in geschlossenen Sitzungen, bei den Mahlzeiten mit unseren Gastgebern, bei Spaziergängen im Wald. Es war eine Mischung aus vielen Dingen: Eine politische Debatte, die manchmal recht stürmisch wurde, ein Austausch von Witzen, ein Markt der Analysen. Wir erzählten Geschichten aus unserer Vergangenheit, bemüht, uns gegenseitig einzuschätzen. Einmal rezitierte Sartawi Gedichte, die er geschrieben hatte, und Matti Peled, Dozent für moderne arabische Literatur an der Tel Aviver Universität, erklärte, er wolle sie in seinen Kursen verwenden. "Dafür ist es vielleicht ein bißchen zu früh", meinte Sartawi. Zeitweilig wurde die Atmosphäre so freundschaftlich, daß wir uns gegenseitig entschuldigen mußten, weil wir vergessen hatten, daß wir Feinde waren. Aber wir stritten auch, und dann konnte Sartawi wirklich ätzend sein. Hauptursache für Streit waren Differenzen in Verfahrensfragen, die bei vielen Konferenzen immer wieder auftauchten, wie sie auch bei meinen Gesprächen mit Hammami aufgetaucht waren. Es betraf den Faktor Zeit. Wir Israelis waren ungeduldig. Wir brauchten öffentliche Zeichen, eine Bestätigung, daß die PLO tatsächlich mit zionistischen Israelis spräche als Zeichen für ihre Bereitschaft, mit dem Staat Israel zu verhandeln und ihn anzuerkennen. Die Palästinenser hielten das für schädlich und vermuteten eine Falle. Publizität könne ihre Bemühungen schon im Anfangsstadium zunichte machen. "Geben Sie nicht der Taktik den Vorrang vor der Strategie!" rief Sartawi einmal. "Ein kleiner Tagesgewinn kann unsere langfristigen Bestrebungen zerstören. Wir machen Fortschritte. Unsere Konferenz hier ist ein Zeichen dafür. Wir haben ein strategisches Ziel: Frieden. Lassen Sie uns jeden taktischen Zug von der Strategie her beurteilen!"

Wir Israelis hatten zu dieser Zeit nur eine sehr verschwommene Vorstellung davon, was sich intern in der PLO abspielte, welche Kräfte in ihr am Werk waren, wer wer war. Spätabends, nachdem wir den Palästinensern gute Nacht gesagt hatten, setzten wir uns in einem der Zimmer zusammen, verglichen Notizen und Eindrücke und beschlossen, auf die Herausgabe eines gemeinsamen Kommuniqués am Ende der Tagung zu drängen. Als Matti dies am anderen Morgen vorschlug, war Sartawi außer sich. Wir verstanden nicht, warum. Wir bewegten uns noch im Nebel, wie er draußen um die Villa hing an diesem 18. Oktober 1976.

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