Ramallah nördlich von Jerusalem, das im Jahre 1967 von der israelischen Armee besetzt wurde, neunzehn Jahre nach der Eroberung Akkos. Bis dahin war Issam nur ein oder zwei Mal in Sarta gewesen, um seine Verwandten zu sehen, die noch dort wohnen. Aber sonst verband ihn wenig mit dem Ort. Als Kind lebte Issam in Akko und im benachbarten Haifa, an das er nur verschwommene Erinnerungen behielt. Ich pflegte die Löcher in seinem Bild aufzufüllen, weil ich 1934 als Zehnjähriger fast ein Jahr lang in Haifa gelebt hatte. Ich erinnere mich gut an diese Stadt, deren oberer Teil das Karmelgebirge hinaufkriecht und jüdisch ist, während der untere Teil um den geschäftigen Hafen arabisch ist. Die Geräusche und Gerüche des unteren Haifa sind mir noch lebendig im Gedächtnis. Meine Familie wohnte damals an der Grenze beider Stadtteile in einem Haus, das einem reichen arabischen Zigarettenfabrikanten gehörte. Am letzten Tag seines Lebens lernte Sartawi Tamar Golan kennen, eine rotschopfige israelische Journalistin, die ihm erzählte, daß sie auch in Haifa aufgewachsen sei. "Wenn Sie mir damals über den Weg gelaufen wären, hätte ich Sie unter den nächstbesten Obstbaum gezogen", scherzte Sartawi, wie es seine Art war, "und vielleicht wäre unsere Geschichte anders verlaufen."

Sartawis Familie in Akko lebte nicht im Überfluß. Sein reichster Verwandter war ein Onkel, der als Herzspezialist in Haifa arbeitete, und daher beschloß seine Mutter, daß ihr Sohn Issam auch Arzt und Herzspezialist werden müsse. Auch in dieser Hinsicht werden die Palästinenser den Juden sehr ähnlich. Da sie nicht viel anderes haben, sehen sie in der Bildung ein Mittel zum Überleben und Vorankommen. Es ist die palästinensische Mutter, die von ihrem Sohn, dem Herrn Doktor, reden möchte.

Die palästinensische Katastrophe von 1948, die wir Juden unseren Unabhängigkeitskrieg nennen, erfaßte auch die Familie Sartawi. Sie ging in den Irak. Dort wuchs der junge Issam auf, ging zur Schule und heiratete seine Frau Waddad, eine Irakerin. Ein Foto aus dem Jahre 1957, aufgenommen in Bagdad, zeigt Issam neben seinem Vater Ali und seiner Mutter, umgeben von seinen vier Brüdern und sechs Schwestern. Zwei seiner Brüder waren in Jenin in Zentralpalästina geboren, wo sein Vater Anfang der vierziger Jahre gearbeitet hatte, während die jüngsten in Bagdad zur Welt kamen. Ein Bruder kam später bei einem israelischen Bombenangriff in Jordanien ums Leben, ein anderer starb bei einem Unfall. Alles in allem eine typisch palästinensische Familie.

Issam begann sein Medizinstudium in Bagdad und ging dann in die Vereinigten Staaten, um es dort zu beenden und schließlich Herzchirurg zu werden. Er hätte auf diesem Wege ungestört Karriere machen können. Er war ein imposanter Mensch mit einem natürlichen Charme, der die Menschen zu ihm hinzog. Sein Englisch war ausgezeichnet. Einer der Spezialisten, die seine Doktorarbeit lasen, sagte: "Hier drin steckt Material, das zu einem Nobelpreis

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