weise hatten, als der Schlußtermin heranrückte, nur wenige Familien Ausreisegenehmigungen beantragt. Vielleicht fühlten die Juden sich sicher im Irak, vielleicht wollten sie ungern auf das verzichten, was sie hatten, vielleicht trauten sie auch dem Dekret der Regierung nicht.

Dann geschah etwas Unerklärliches. In Synagogen und an anderen von Juden frequentierten Orten begannen Bomben zu explodieren. Panik entstand, und die Zahl derer, die gehen wollten, stieg über Nacht. Am Ende blieben nur wenige Juden zurück. Die große jüdische Gemeinde in Mesopotamien, die seit dem ersten Exodus zweitausendfünfhundert Jahre lang dort gelebt hatte, hörte praktisch auf zu existieren. Einige Juden retteten etwas von ihrem Eigentum, indem sie es in Gold und Devisen mit Hilfe bestochener Beamter hinausschmuggelten. Aber die Mehrzahl kam mittellos nach Israel, um in Zelten zu wohnen, harte und manchmal sinnlose körperliche Arbeit zu leisten und in tiefster Armut zu leben. Damit begann die traurige Geschichte der jüdischen Flüchtlinge aus dem Orient, die Israel heute mehr denn je zu schaffen macht. Einer dieser unzufriedenen Immigranten kam sechzehn Jahre später zu mir und erzählte mir eine unglaubliche Geschichte: daß jene Bomben von Juden gelegt worden seien, genauer von einer illegalen Zelle unter dem Kommando aus Israel entsandter Geheimagenten. Die irakischen Behörden hatten das immer behauptet. In einem Gerichtsverfahren waren zwei irakische Juden verurteilt und gehängt worden. Aber die israelische Regierung hatte das als blutige Verleumdung und als neues Beispiel der arabischen Barbarei zurückgewiesen. Nach der Enthüllung der Affäre Lavon - eine jüdische Untergrundzelle legte auf Befehl des Geheimdienstes der israelischen Armee Bomben in Örtlichkeiten der Amerikaner und Briten in Ägypten, angeblich auf Anweisung von Verteidigungsminister Pinkas Lavon - gewann die Affäre Bagdad an Glaubwürdigkeit. Ich veröffentlichte am 20. April 1966 in meinem Magazin einen Enthüllungsbericht über die Bagdad-Affäre, der ohne Umschweife erklärte, daß die Bombenlegerei das Werk israelischer Agenten gewesen sei, entsandt von der Ben-Gurion-Regierung im Geiste des "grausamen Zionismus", wie man es damals nannte - nämlich der Vorstellung, daß man grausame Mittel anwenden müsse, um Juden von den Fleischtöpfen des Exils zu reißen und ins Gelobte Land zu treiben.

Jetzt, Jahre später, widmete sich Issam Sartawi der eigenen Erforschung dieser Ereignisse. Als er Geheimakten der politischen Polizei des Iraks und die Verhandlungsprotokolle des Prozesses gegen die beiden irakischen Juden sichtete, stieß er auf aufschlußreiche Fakten. In einem Bagdader Warenhaus waren unmittelbar nach den Bombenexplosionen zwei israelische Agenten festgenommen worden, als ein palästinensischer Flüchtling aus Akko, der dort beschäftigt war, sie erkannt hatte. Es war ein purer Zufall, daß er den einen der beiden als ehemaligen Militärgouverneur in Galilaä identifizieren konnte, dem er einmal Kaffee serviert hatte. Die beiden Männer wurden verhaftet. Der

165