An dieser Stelle muß ich mein Verhältnis zu diesem bemerkenswerten Mann erklären, das für diesen Bericht nicht ohne Bedeutung ist.

Ich lernte Bruno Kreisky bei einem Wien-Besuch Ende der fünfziger Jahre kennen. Ein Freund von mir, der ehemalige österreichische Generalkonsul in Tel Aviv, bat mich, den Staatssekretär im Außenministerium aufzusuchen, einen aufstrebenden Sozialdemokraten und Juden. Als ich diesen Mann besuchen ging, dessen Name außerhalb Österreichs noch unbekannt war, empfing er mich in seinem Zimmer im Außenministerium. Das erste, was mir auffiel, war ein kleiner Alligator, der in einem Becken mitten im Zimmer spielte. Er war das Geschenk eines afrikanischen Staates, den Kreisky besucht hatte.

Aber der Mann war alles andere als extravagant oder protzig. Im Gegenteil. Er beeindruckte mich mit seiner nüchternen Art zu reden und seinem trockenen Humor. Ein Satz blieb mir im Gedächtnis haften: "Wir Österreicher haben uns mit dem Gedanken abgefunden, daß wir ein kleines Land sind, wir brauchen deshalb keine Flugzeuge oder Autos zu produzieren. Ihr Israelis seid eine große Nation, ihr müßt natürlich sowas herstellen."

Kein Wunder, daß sich Kreisky in Israel weithin unbeliebt machte. Die Tatsache, daß er Jude war, aber kein Zionist, daß er sich als Österreicher betrachtete und Israel offen und mit beißender Schärfe kritisierte, machte ihn schnell zum Buhmann, zur bevorzugten Zielscheibe des Hasses in Israel. Jahre später erneuerte ich unsere Bekanntschaft. Ich hatte mich mit einer Wienerin angefreundet, die sich für Israel interessierte. Kreisky hielt es, als er Kanzler wurde (und, wie manche Österreicher meinten, zum neuen Kaiser Bruno dem Ersten), für notwendig, jemanden in Israel zu haben, der für ihn die Szene beobachtete. Barbara Taufar, meine Freundin und inzwischen Kreiskys Vertraute, wurde in den Mitarbeiterstab der österreichischen Botschaft in Israel entsandt. Sie war unerhört erfolgreich und wurde zur festen Einrichtung in der Tel Aviver Gesellschaft mit ihrer schnellen Intelligenz und ihrem guten Aussehen.

Babara war es, die Anfang 1976 vorschlug, ich solle nach Wien fahren und ein ausführliches Interview mit dem Bundeskanzler machen, um den immer dickeren Nebel der Diffamierungen und Mißdeutungen zu zerstreuen, der seinen Namen in Israel umgab. Ich tat es, und es begann so etwas wie eine Freundschaft. Wir trafen uns häufig und tauschten in der Zwischenzeit Briefe aus. Immer, wenn in Israel etwas geschah, was ihn meiner Meinung nach interessieren müßte, schickte ich ihm einen Brief mit der Diplomatenpost - der österreichischen natürlich. Ich bekam Respekt vor seiner Urteilskraft und seinem profunden politischen Gespür, einer Art Weisheit, die ich ziemlich chauvinistisch für typisch jüdisch halte und an der es in Israel auffallend fehlt. In meiner Gegenwart ließ er sich gehen, und oft entfuhren ihm bissige Bemerkungen über diverse Persönlichkeiten, denn er wußte, daß ich

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