Am Vorabend der Veranstaltung hatte Kreisky mich zum Essen in sein bescheidenes Heim geladen. Sartawi war aus Paris gekommen, und wir drei nahmen zusammen mit Karl Kahane, einem bekannten jüdischen Finanzier und persönlichen Freund des Kanzlers, ein einfaches Mahl ein, das Kreiskys Frau servierte. Ich war beeindruckt von der Schlichtheit der Umgebung. Es war ein typisch österreichisches, gutbürgerliches Haus, von einem einsamen Polizisten bewacht. Sehr wenige Regierungschefs konnten es sich leisten, mit so wenig Schutz zu leben, oder genossen einen solchen Mangel an Pomp. Die Atmosphäre war nüchtern. Hauptgesprächsthema war natürlich Menachem Begin. Als ehemaliges Mitglied der illegalen Irgun hatte ich immer gute persönliche Beziehungen zu Begin gehabt, mit dem zusammen ich auch acht Jahre lang im Parlament diente. Es gab zwischen uns keine persönlichen Spannungen, und er behandelte mich im allgemeinen sehr herzlich. Aber ich machte mir keine Illusionen über seine Ansichten.

Wenige Tage nach der Wahl, am 23. Mai, hatte ich Kreisky einen Brief geschickt: "Ich schreibe Ihnen in sehr gedrückter Stimmung. Zum zweiten Mal erlebe ich das Ende der Weimarer Republik .. ." Kreisky hatte in einem Zeitungsinterview bereits der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß Begin mit der Übernahme der Macht zu einem gemäßigten, pragmatischen Politiker werde. Als Antwort darauf schrieb ich in meinem Brief:

"Natürlich ist es im Prinzip richtig, daß rechtsradikale Falken zu Zugeständnissen in der Lage sind, die gemäßigte Politiker nicht machen können. Aber man sollte sich von dieser Theorie nicht verleiten lassen, die Realitäten zu ignorieren. Ich kenne Herrn Begin seit dreißig Jahren... Man sollte den Mann nicht unterschätzen. Er ist ein hundertprozentiger Fanatiker mit einem persönlichen Draht zu Gott. Er ist kein de Gaulle, der trotz allem fähig war, kühl zu kalkulieren. Ganz gewiß ist er kein Nixon. Er kommt eher Robespierre nahe, ein im Grunde irrationaler Mensch, der glaubt, er repräsentiere die reine Vernunft. Er ist total kompromißlos. Die Einverleibung der besetzten Gebiete (in den Staat Israel) ist für ihn eine Mission außerhalb jeder Diskussion."

Beim Essen hatten wir eine lebhafte Auseinandersetzung darüber. Kreisky war überzeugt, daß Begin jetzt ein rational denkender Staatsmann würde, ich hingegen behauptete, er werde überhaupt keine Konzessionen machen in der Frage der palästinensischen Territorien. In den folgenden Jahren erhielten wir beide recht: Begin machte Konzessionen, um Frieden mit Ägypten zu erreichen, torpedierte aber alle Bemühungen um einen Kompromiß für die West Bank und Gaza.

Wir diskutierten darüber, was wir tun könnten, um unter den neuen Bedingungen den Frieden zu fördern. Wir waren uns einig, daß es das Beste wäre, eine große, von international prominenten Persönlichkeiten getragene Konferenz zu fordern, auf der Israelis, Palästinenser und andere Araber über israelisch-palästinensischen Frieden redeten. Ich drängte, schon bald eine

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