Verhandlungen am Kilometer 101 (von Kairo) nach dem Yom Kippur-Krieg war der ägyptische Chefunterhändler, General Abd-al-Ghani al Gamazi, an seinen israelischen Gesprächspartner, General Israel Tal, mit der Mitteilung herangetreten, Ägypten sei jetzt zur Unterzeichnung einer ägyptischisraelischen Vereinbarung bereit. Tal war zu Ministerpräsidentin Golda Meir geeilt und hatte ihr in großer Aufregung die Neuigkeit überbracht. Golda hatte ihn gedämpft. Sie habe, so erklärte sie ihm, mit Henry Kissinger vereinbart, daß ein solches Papier unter amerikanischer Schirmherrschaft in Genf unterzeichnet werden müsse. Und in der Tat, die Verhandlungen am Kilometer 101 wurden an diesem Punkte abgebrochen und begannen in Genf ganz von vorn. Es hätte aber ganz ohne Zweifel im Interesse Israels gelegen, ein direktes bilaterales Abkommen mit den Ägyptern zu schließen, das ein Präzedenzfall von höchster Bedeutung gewesen wäre.

Dieses Gespräch mit Sartawi beeindruckte mich tief. Später im Jahr faßte ich es, ohne Sartawi zu erwähnen, in einem Artikel zusammen, den ich in der israelischen Zeitschrift New Outlook unter der Überschrift "Will Amerika Frieden?" veröffentlichte. Die ersten Absätze daraus möchte ich zitieren:

"Das Fragezeichen im Titel ist viel mehr als eine grammatikalische Nuance. Es ist die Essenz einer monatelangen Suche.

Wie viele meiner Freunde war ich für lange Zeit einem politischen Lehrsatz verschrieben, den Dr. Nahum Goldmann am besten formuliert hat. Er lautet mehr oder weniger so: Die Vereinigten Staaten haben ein fundamentales Interesse daran, Frieden in unserer Region zu schaffen. Seit 1967 haben die Regierungen Israels Frieden verhindert, um die besetzten Gebiete zu behalten. Früher oder später werden die Amerikaner einer unwüligen israelischen Regierung Frieden aufzwingen müssen. Wenn sie es bisher noch nicht getan haben, dann nur wegen der Dummheit oder Naivität oder Feigheit einiger amerikanischer Politiker. Ist dies erst einmal überwunden, wird unweigerlich der erzwungene Frieden kommen.

Es ist eine leicht verdauliche Vorstellung. Sie macht das Leben viel einfacher. Sie verlagert die Last der Verantwortung auf andere. Sie macht die Schwäche der israelischen Friedensbewegung leichter erträglich. Sie steht im Einklang mit der bei so vielen Intellektuellen beliebten Gewißheit, daß "automatisch" etwas geschehen muß.

Es ist auch eine Vorstellung nach dem Herzen von Leuten wie mir, die eine angeborene Sympathie für die Vereinigten Staaten und den american way oflife haben. Natürlich, in Vietnam irrte Amerika, aber eigentlich muß doch Friedensliebe aus der US-Politik sprechen. Zumindest würden wir das gerne glauben. Aber es gibt auch eine solidere Grundlage für diesen Glauben. Objektiv, so scheint es, haben die USA doch eigentlich ein fundamentales Interesse an Frieden in der Region.

Die Palästinenser sind da. Ihren nationalistischen Eifer kann niemand übersehen, der die Szene mit offenen Augen beobachtet. Man kann einer Nation von vier Millionen intelligenten Menschen nicht ihre Nationalität verweigern, ohne eine Explosion hervorzurufen. Anders als die Kurden sitzen die verstreuten

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