Was konnten wir tun? Sartawi arbeitete rund um die Uhr. Während wir uns unterhielten, lauschten wir einem Interview mit ihm, das die BBC ausstrahlte. Issam erinnerte daran, welche Schritte die PLO zur Anerkennung Israels getan hatte, und appellierte an die israelischen Friedenskräfte, Widerstand gegen den Krieg zu leisten. Er war nach Wien zu Kreisky geeilt und hatte ihn gebeten, Arafat zu einem offiziellen Besuch Österreichs einzuladen. So wäre es möglich, dachte Issam, Arafat unter Wahrung des Gesichts davor zu bewahren, in Beirut umzukommen. Er wußte nicht, daß Arafat nicht im Traum daran dachte, die Stadt zu verlassen. In Wien hatte Sartawi auch Mitterrand getroffen, der dort einen Besuch machte, und hatte ihn vergeblich gebeten, etwas zu tun. Hinterher soll Kreisky von Mitterrand gesagt haben: "Er ist ein Semifaschist."

Arafat selbst rief früh am Morgen an. Laut Issam war er euphorischer Stimmung. Er stellte unmißverständlich klar, daß er Beirut nicht verlassen werde. "Ich werde mit meinen Männern sterben", sagte er.

Matti, der sich in diesen Monaten in Paris aufhielt, um wissenschaftlich über moderne arabische Literatur zu arbeiten, ging mit mir zu den Funktionären der französischen Sozialistischen Partei. Was sie denn unternähmen, fragten wir. Die israelische Arbeiterpartei habe für den Krieg gestimmt. Warum versäumte es die französische Schwesterpartei, das zu verurteilen? Die Funktionäre lächelten höflich, brachten ihre große Sorge zum Ausdruck, luden uns sogar zu einer Pressekonferenz ein, wo sie über französische Politik sprachen und zwei oder drei Wischiwaschi-Sätze über den Libanon einflochten.

Die sozialistische Regierung Frankreichs - wie die Amerikaner, wie die Russen - wartete ab, wie die Sache ausgehen würde, rechnete sich zynisch aus, was aus der Katastrophe zu gewinnen sei. Ich mußte ständig an den Holocaust denken. Dieses Schweigen, dieser Zynismus, diese höflichen Äußerungen des Bedauerns - es war, in kleinerem Maßstab, die Wiederholung des Verhaltens der Welt in jenen furchtbaren Jahren. Das war in Israel ein oft besprochenes Thema: Warum hat die Welt geschwiegen? Warum hat niemand etwas getan, während die Juden "durch den Schornstein gingen", außer einigen wenigen Aufrechten?

Wir hielten es für unsere Pflicht als Juden, uns wie die Aufrechten zu verhalten, uns so zu verhalten, wie wir es uns von anderen gewünscht hätten in unserer Zeit der Not.

Am nächsten Tag organisierten unsere französischen Freunde eine Pressekonferenz für uns drei-für Issam, Matti und mich. Wir saßen zusammen auf dem Podium, vor uns etwa hundert tief beunruhigte Menschen, schuldbewußte Juden, verzweifelte Palästinenser, besorgte Franzosen und andere Europäer. Zur Eröffnung erklärte ich:

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