Vorsitzenden erst abends sehen würden, viel zu spät für Matti, um noch nach Paris zurückzufliegen. Jetzt aber war ja Abu Faisal bei uns, der Hexenmeister der Flugpläne. Er entdeckte, daß Matti am nächsten Tag frühmorgens direkt nach Rom fliegen konnte und von dort über Athen nach Tel Aviv - gerade rechtzeitig für seine Vorlesung. Es bedurfte einiger Telefongespräche mit Anna in Paris, um das alles zu arrangieren.

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Nachmittags kam Abu Maazen zum Vorbereitungsgespräch ins Hotel. Zum ersten Mal begegnete ich diesem Mann, der über all unseren Kontakten geschwebt hatte, seit ich Said Hammami kennenlernte. Damals hatte Said mir anvertraut, daß neben Arafat selbst zwei Spitzenfunktionäre der Fatah für die Kontakte verantwortlich seien, nämlich Abu Jihad und Abu Maazen. Abu Jihad, Verteidigungsminister der Fatah, war in Israel verhältnismäßig gut bekannt. Abu Maazen war so etwas wie der Große Unbekannte. Er ist hauptsächlich mit Organisation und Finanzen seiner Bewegung befaßt.

Abu Maazen, der mehr wie ein Schulmeister wirkte, gelassen und ungezwungen, und der eigentlich Mahmoud Abbas hieß, kam schnell zur Sache. Zunächst aber wechselten wir den zwischen Israelis und Palästinensern üblichen Small talk: Wer stammt woher. Es stellte sich heraus, daß Abu Maazen Flüchtling aus Safed war. Meine Frau Rachel, die in Berlin geboren wurde und als einjähriges Kind ins Land kam, wuchs ebenfalls in Safed auf. Ihr Vater war Kinderarzt auf dem Berge Kanaan oberhalb von Safed und es war durchaus vorstellbar, daß der kleine Mahmoud von ihm behandelt wurde. Er erinnerte sich daran nicht, aber an die Sonderlinge, die damals auf dem Berge Kanaan wohnten und die ich aus den Geschichten meiner Frau gut kannte, erinnerte er sich. Heute ist nur noch wenig von der wilden Schönheit des Berges geblieben. Er ist dicht besiedelt. Aber das erzählte ich ihm nicht.

Ich erzählte ihm auch nicht, was Jigal Allon, der zu Beginn des Krieges von 1948 die Palmach-Brigaden kommandierte, einmal in einem Vortrag sagte. Er schilderte die "Befreiung" Safeds mit den Worten: "Die arabische Bevölkerung floh. Wir taten alles, um sie zur Flucht zu ermuntern."

Abu Maazen, der als prowestlicher PLO-Führer galt und sehr beliebt war bei den Saudis, den Hauptfinanziers der PLO, war von den schlauen Sowjets eingeladen worden, bei ihnen seinen Doktor zu machen. Ja, er war Doktor des Zionismus - das war das Thema, das er gewählt hatte. Insbesondere hatte er sich mit der Affäre Kästner befaßt, einem berühmten Prozeß, der Anfang der fünfziger Jahre in Israel stattfand und bei dem es in erster Linie um die Bemühungen der ungarischen Zionisten während des Holocaust ging, mit den Nazis zu verhandeln. Die Hauptfigur Rudolph Kästner war für die einen ein

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