Jedesmal, wenn ich mit Arafat sprach, fiel mir bei ihm diese Fähigkeit zu schnellen Entschlüssen auf, anders als bei manchen seiner Kollegen. Ich mußte dabei an David Ben-Gurion denken. Ben-Gurion und Arafat sind natürlich sehr verschieden; aber einiges haben sie gemeinsam: die gleiche Größe, die gleiche Fähigkeit zu schnellen Entschlüssen, das gleiche Selbstvertrauen, die gleiche Ausstrahlung von Autorität ohne Förmlichkeit. Ben-Gurion hat zu seiner Zeit gewissermaßen die zionistische Bewegung und das Lebensgefühl der Juden personifiziert. Ganz ähnlich ist Arafat nicht bloß der Führer einer Bewegung, sondern auf seltsame Art die Personifizierung der Tragödie, des Pathos, der Zähigkeit und Ausdauer der Palästinenser.

"Wir brauchen auch Fotos", stieß ich nach, und wieder willigte Arafat ohne Zögern ein.

Sein amtlicher Fotograf wurde gerufen, wir arrangierten uns nebeneinander auf Sofa und Sesseln, so daß Abu Maazen neben Issam rückte und Abu Marwan nicht mit aufs Bild kam. Wir hatten uns bereits darauf geeinigt, den Ort unserer Begegnung nicht zu nennen, um die tunesische Regierung nicht in Verlegenheit zu bringen.

Arafat setzte seine Pelzkappe wieder auf, und es wurden mehrere Aufnahmen gemacht. Dann kam Arafat plötzlich der Gedanke, es könnte schlecht für uns sein, wenn das Bild ihn mit militärischem Kopfschmuck zeigte. Also stand er auf, legte ein Palästinensertuch (keffijeh) an, das sorgfältig um seinen Kopf drapiert wurde, und dann wurden dieselben Fotos noch einmal gemacht. (Am Ende nahm ich beide Fotoserien mit. Beide wurden in Israel veröffentlicht und veranlaßten eine israelische Illustrierte, zwei Bilder nebeneinander zu drucken und ihre Leser aufzufordern: "Suchen Sie den Unterschied zwischen den beiden Bildern".)

Wenn ich mir die Fotos heute ansehe, fasziniert mich die Unterschiedlichkeit des Lächelns, das die Gesichter zeigen - vom bekannten breiten Lächeln Arafats, dem Siegerlächeln Issams, dem zurückhaltenden Lächeln Mattis bis hin zu Abu Maazens Schatten eines Lächelns.

Das Gespräch erstreckte sich auf viele Themen. Die politische Lage in Israel war natürlich von großem Interesse für unsere Gastgeber, die nie zuvor eine solche Gelegenheit gehabt hatten, die Ansichten von israelischen Insidern zu hören. Warum verhielt sich die Arbeiterpartei so, wie sie sich verhielt, welche Differenzen bestanden zwischen Begin und Peres, was wollte die Peace NowBewegung? Als ich erläuterte, daß die Arbeiterpartei mit dem Likud um die Stimmen der politischen Mitte konkurriere, unterbrach mich Arafat und vervollständigte meinen Satz mit ".. . und driftet deswegen nach rechts." Als politischer Praktiker ersten Ranges begriff er mühelos die politischen Realitäten in unserem Staat. Wir natürlich interessierten uns für die Verteilung der Kräfte innerhalb der PLO. Arafat und Abu Maazen waren zuversichtlich, bei dem bevorstehenden sechzehnten Kongreß des Palästinensischen National-

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