schrieb Herzl auch einige Sätze über Palästina, die einzigen im ganzen Buch. Da steht zu lesen: "Palästina ist unsere unvergeßliche historische Heimat. Dieser Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser Volk. Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten wir uns dafür anheischig machen, die Finanzen der Türkei gänzlich zu regeln. Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen. Wir würden als neutraler Staat im Zusammenhänge bleiben mit ganz Europa, das unsere Existenz garantieren müßte. Für die heiligen Stätten der Christenheit ließe sich eine völkerrechtliche Form der Exterritorialisierung finden. Wir würden die Ehrenwache um die heiligen Stätten bilden und mit unserer Existenz für die Erfüllung dieser Pflicht haften. Diese Ehrenwache wäre das große Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns qualvollen Jahrhunderten." Das ist alles.

Vielleicht hat Herzl nicht besonders ernsthaft über diese Worte nachgedacht, bevor er sie niederschrieb. Er wollte damals an den osmanischen Sultan appellieren und auch im christlichen Europa für seine Idee werben. Trotzdem - und vielleicht gerade darum - zeigt dieser Abschnitt die geistige Welt des Zionistenführers an.

Herzl war ein Wiener Journalist, in Budapest geboren, ein assimilierter jüdischer Intellektueller. Er lebte im Wien Karl Kraus', in der Welt von Rudyard Kipling und Cecil Rhodes, Joseph Chamberlain und Kaiser Wilhelm. Für ihn war Kultur synonym mit Europa; Kolonialvölker waren lediglich Objekte.

Aber Herzls Worte bestimmten den Weg des Zionismus nicht allein, weil Herzl ein unbestrittener Führer war - einige seiner wichtigsten Vorschläge wurden von seiner Bewegung verworfen -, sondern vielmehr weil diese Aussagen eben der Geisteswelt aller seiner Anhänger entsprachen. Sie erhielten für sie praktisch axiomatische Bedeutung.

Der türkische Sultan kann Palästina "geben", obwohl es ein arabisches Land ist. Für Europa wird der Judenstaat "ein Teil

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