Andere Vorwürfe waren weit weniger berechtigt, aber in der großen Aufregung durchaus verständlich. Da so gut wie alle Israelis den Krieg als ihren eigenen betrachteten und Amerika ohne Vorbehalte unterstützten, sah man die deutsche Zurückhaltung als anti-israelisch an. Auf die deutschen Friedensdemonstrationen reagierte man besonders wütend und betrachtete sie gewissermaßen als antisemitische Kundgebungen. Ein deutscher sozialdemokratischer Politiker, der Israel besuchte, bemerkte dazu trocken: "In diesem Jahrhundert haben Deutsche für schlimmere Sachen als den Frieden demonstriert." Es war ja auch etwas seltsam, vielleicht auch eine Ironie des Schicksals, daß in dieser Krise Juden auf Deutsche ausgerechnet deshalb wütend waren, weil diese sich weigerten, Soldaten in den Krieg zu schicken.

Deutsche, die während der Angstperiode Israel und vor allem dem bedrohten Tel-Aviv demonstrative Besuche abstatteten, konnten etwas zur Linderung der israelischen Wut beitragen. So zum Beispiel die Bürgermeister von Bonn und Köln. Sie befanden sich gerade während eines feierlichen Abendessens mit dem Tel-Aviver Bürgermeister Schlomo Lahat (als Salo Lindner in Deutschland geboren) im Hilton Hotel, als Raketenalarm ertönte. Wie alle anderen auch gingen sie in den Schutzraum, wo die in Deutschland hergestellte Gasmaske des Kölners allgemeine Bewunderung fand. Danach fuhren sie mit dem Abendessen fort.

Der Riß in den deutsch-israelischen Beziehungen ist schnell wieder zugedeckt worden. Aber bei jeder neuen Krise kann er wieder aufbrechen. Über den deutsch-israelischen Beziehungen hängt ein unsichtbares Schild: "Achtung, zerbrechlich!"

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Das schlechte Gewissen der deutschen Regierung gegenüber Israel wirkt sich natürlich zugunsten Israels aus. Bonn wird sich auch weiterhin für Jerusalem in der Europäischen Gemeinschaft einsetzen. Vor der Krise hatten sich verschiedene Mit-

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