offene Grenzen zwischen Israel, Palästina und der ganzen arabischen Welt aufrechtzuerhalten, Sicherheitsregelungen zu schaffen, die Israel und den anderen Staaten ein sicheres Leben ermöglichen.

Visionäre, die immer verachtet werden und oft Recht behalten, sehen darüber hinaus eine schnelle Entwicklung zum wirklichen Frieden, hin zu einer nah-östlichen Wirtschaftsgemeinschaft, einem politischen und einem Sicherheitsbund, einem umfassenden System zur gemeinsamen Wirtschaftsentwicklung, zum Aufbau von regionalen Industrien und regionaler Bewältigung des Wasserproblems. Leute, die heute schon so weit denken, lassen dabei die Risiken nicht außer acht. Auch nach "Friedensausbruch" (wie man in Israel halb scherzhaft sagt) werden die Gefahren für die nächste Zeit große sein, aber bei weitem nicht so groß wie die Gefahren der Kriegspolitik.

Im historisch-philosophischen Sinne könnte man sagen: Der Sprung von der Diaspora ins staatliche Leben schafft ein Sicherheitsproblem anderer Art. Eine der wichtigsten Parolen des Zionismus lautete, daß er den Juden endlich eine sichere Existenz gewähren werde. Das hat sich nicht bewahrheitet, ganz im Gegenteil, gerade der Golfkrieg hat gezeigt, daß das Leben in Israel äußerst unsicher ist. "Israel ist das einzige Land in der Welt, in dem Juden heute massenhaft vernichtet werden können", hat der unerbittliche Professor Leibovitz verkündet.

Der Zionismus war im Grunde genommen eine Entscheidung, wieder als Subjekt in die Weltgeschichte einzusteigen, nachdem Juden 1800 Jahre lang nur ein Objekt der Geschichte waren. Man wollte endlich wieder Herr seines eigenen Schicksals sein, imstande sein, sich im Kollektiv zu verteidigen. Damit war eine neue Gefahr verbunden, die man am Anfang nicht ganz begriffen hatte. In der Diaspora war jeder Jude hilflos seinem Schicksal ausgeliefert, aber das jüdische Volk als Gemeinschaft genoß in der Zerstreuung eine besondere Art von Sicherheit: Man konnte fliehen. Wenn die jüdische Gemeinde in einem Lande vernichtet oder vertrieben wurde, so konnte sie immer noch in einem anderen Land gedeihen. Als die Kreuz-

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