Es gab allgemein eine große Freude, nicht so euphorisch wie auf der arabischen Seite, aber doch sehr stark. Ich war an diesem Tag, wie schon gesagt, in Ostjerusalem. Aber auch in Westjerusalem hatten mich mehrere Fernsehsender eingeladen; anschließend fuhr ich zwischen den beiden Stadtteilen hin und her. Auf der israelischen Seite glaubte man, daß der Krieg jetzt endlich zu Ende geht. In Israel war die allgemeine Stimmung im Volk während der letzten Jahre immer weiter fortgeschritten als die der Regierung. Die Regierung hinkte der Bevölkerung hinterher, nicht umgekehrt. Es gab keine mutige Führung, die dem Volk vorausging, wie die biblische Feuersäule in der Wüste, sondern ganz im Gegenteil: Sie lief dem Volk hinterher. Genaugenommen war in der Bevölkerung nicht so sehr eine Sehnsucht nach Frieden vorhanden, man hatte vielmehr einfach den Krieg satt. Wenn man will, kann man das negativ bewerten. Die Kriegsmüdigkeit war jahrelang während der Intifada zu spüren; es wurde immer klarer, daß die Israelis von Krieg und Besatzung genug hatten. Um das richtig zu verstehen - ich habe oft versucht, es dem deutschen Publikum verständlich zu machen -, muß man berücksichtigen, daß die israelische Armee hauptsächlich eine Reservearmee ist. Die Soldaten müssen einmal im Jahr in der Armee dienen.Während der Intifada hieß dies, in den besetzten Gebieten seinen Dienst abzuleisten, in Gaza, Ramalla, Nablus, Hebron. Das bedeutet, daß ein israelischer Fehrer, ein Handwerker oder ein Beamter von heute auf morgen in eine Uniform gesteckt wird, mitten in Gaza von Kindern verflucht und bespuckt, von Frauen angeschrien wird; er kommt in gefährliche Situationen, schießt in die Fuft, manchmal

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