Es hat sich herausgestellt, daß es viel leichter ist, einen Vertrag zu unterschreiben, als sein eigenes Denken dem Vertrag entsprechend zu verändern. Und gerade das Problem der Häftlinge ist besonders typisch. Die Nationalhelden der Palästinenser sind für die meisten Israelis Verbrecher und Terroristen, die unschuldige Menschen umgebracht, Bomben und Steine geworfen haben. In dem Augenblick, wo man nicht akzeptierte, daß diese Menschen Kriegsgefangene in einem Konflikt sind, der jetzt zu Ende ist, und sie weiter als Verbrecher behandelte, ist der ganze Sinn von Oslo verlorengegangen.

Wir haben ein paar Tage nach Oslo eine große Demonstration mit Tausenden von palästinensischen Frauen vor dem Gefängnis in Nablus gemacht. In meinen Augen war das eine Sternstunde, wenn man das so sagen kann. Hätte Rabin beschlossen, am Tage von Oslo alle Häftlinge freizulassen - im Osloer Vertrag wird die Sache überhaupt nicht erwähnt -, dann hätten die Israelis dies als Geste natürlich akzeptiert. Da man es nicht tat, wird es nun von Tag zu Tag schwerer. Denn nach jedem weiteren Bombenanschlag heißt es: Ihr entlaßt Verbrecher, die morgen wieder Bomben werfen werden; das sind alles Terroristen. Jede Freigabe sieht heute aus wie eine Kapitulation der israelischen Regierung vor dem arabischen Terror. Es herrscht jetzt eine ganz andere Atmosphäre als vorher. Auch Kinder sind heute noch im Gefängnis; das ist tragisch und lächerlich. Es ist ein Problem, das die ganze Schwierigkeit von Oslo erhellt.

Im Kairo-Abkommen vom Mai 1994 wurde vereinbart, 5000 Häftlinge freizulassen. Von denen hat man erst 4000 entlassen, denn auch heute noch will man keine

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