hen. In dem bereits erwähnten Zelt, in dem wir 1993 gelebt haben und ich Unterricht im Islam bekam, gab ich Unterricht über den Holocaust, um meinen islamischen Freunden dessen Bedeutung für die Israelis zu vermitteln. Unsere palästinensischen Freunde, die sich als unsere Opfer fühlen, vertraten sehr oft die Meinung, daß der Holocaust stark übertrieben ist, daß das von uns manipuliert wird, um unser Verhalten den Palästinensern gegenüber zu rechtfertigen. Sie verstehen nicht - und das ist auch sehr schwer zu verstehen -, was für einen unglaublichen Einfluß der Holocaust auf Israel hat. Kein Mensch kann nachvollziehen, wieso ein israelischer Politiker zum Beispiel in einer Rede in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen, oder manchmal sogar in einem Satz, folgende Dinge ausdrückt: Wir sind die größte Militärmacht im Nahen Osten; wir können die ganze Region in einer Woche erobern. Unsere Macht ist unbegrenzt. Und im selben Satz sagt er dann weiter, Israel wird kein zweites Warschauer Ghetto werden. Diese beiden Ideen leben mit- und nebeneinander, ohne daß sich die Menschen bewußt sind, daß da ein gewisser Widerspruch besteht. Ob das gut ist oder ob man das zu weit treibt, ist eine berechtigte Frage. Der verstorbene Professor Leibowitz bezeichnete diesen "Holocaust-Kult" als eine Ersatzreligion, weil die jüdische Religion im Grunde schon tot sei.

Was heute alle Juden in der Welt vereint, ist nur eins, nämlich die Idee, daß wir alle Opfer des Holocaust waren oder hätten werden können. Denn wäre Rommel nach Palästina gekommen, wäre uns dasselbe passiert. Im Prinzip war es ja nur Zufall, daß jemand in Australien lebte

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