Ich möchte den Unterschied zwischen palästinensischen Christen und Moslems nicht überbetonen, aber in Jerusalem ist er doch von gewisser Bedeutung: Wenn ein moslemischer Palästinenser von der eigenen Geschichte spricht, gewinnt man bisweilen den Eindruck, daß er seine Vergangenheit mit der arabisch-moslemischen Eroberung Palästinas gleichsetzt und hinsichtlich der Zeit vor dieser Eroberung eher an das denkt, was in Mekka und Medina sowie auf der arabischen Halbinsel geschah, als an die Entwicklung hier. Die christliche Gemeinde dagegen ist wesentlich älter - sie geht auf die Zeit Christi zurück.

Schon vor Jesus Christus gab es ein Gefühl der Kontinuität. Die Menschen identifizieren sich auch mit der vorchristlichen Zeit als einem Abschnitt eines kulturellen Kontinuums, als eines Teils der Wirklichkeit.

Die israelische oder noch die vorisraelische?

Die vorjüdische, ja. Auch die kanaanitische und jebusitische Zeit gehören zum kollektiven Gesamtgedächtnis der Menschen, wenn es um diese Dinge geht. Das war schon immer so - unabhängig davon, daß Palästina sozusagen der wahre Schmelztiegel der Welt ist. Hier gab es die verschiedensten Menschen und Völker, die sich zu einem reichen, vielgestaltigen Gefüge entwickelten. Trotzdem haben viele Palästinenser das Gefühl, daß sie - historisch gesehen - auf die Jebusiter und Kanaaniter zurückgehen und daß Jerusalem nicht etwa nur zu einer Ara gehört, sondern zu diesem gesamten Kontinuum, und daß wir alle Kinder dieses Kontinuums sind. Ich weiß noch, daß ich mich zu der Zeit, als ich mich mit der Reiseliteratur und der Apologie der Pilgerfahrten befaßte, in gewisser Weise mit den ältesten christlichen Gemeinden, mit den Heiligen Paulus und Hieronymus identifizierte, mit der

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