Auch heute ist es selbstverständlich möglich, daß sich im VanLeer-Institut oder im Orient-Haus Araber und Israelis aus Jerusalem zusammensetzen und sich unterhalten - kein Problem; sie kennen den Weg dorthin. Es ist auch möglich, Unterhändler von hier nach dort zu schicken. Aber daß ein Jerusalemer einen anderen auf der Straße trifft, ein Araber einen Israeli oder ein Orthodoxer einen Säkularen, und sagt: "Komm doch mit, laß uns einen Tee trinken und ein wenig diskutieren", kommt kaum vor. Das gibt es so gut wie nicht.

Ich beschäftige mich seit langer Zeit mit politischen Dingen. Ich vergleiche zwischen dem, was ich heute sehe, und dem, was ich früher gesehen habe, und das, was früher war, mochte ich nicht sonderlich; das war schließlich ein Grund, Jerusalem zu verlassen.

Nun aber noch zu einer anderen Sache: Alle Jerusalemer sehen rot, wenn über die politische Komponente von Jerusalem gesprochen wird. Darin besteht überhaupt kein Unterschied zwischen meinen arabischen und israelischen Bekannten. Und wissen Sie was? Es gibt bereits fast keinen Unterschied mehr zwischen links und rechts. Man sagt "Jerusalem", und bei jedem einzelnen steigt die Stimmlage um drei Oktaven, und er beginnt zu beben. Ich höre keinen Unterschied mehr im Tonfall, sondern nur in den Dingen, die sie sagen, aber nicht im Ton. Ich höre keinen Unterschied zwischen Meron Benvenisti und Eli Shwait. Der Ton macht die Musik: "Das ist Jerusalem! Was ist mit Dir? Wie kannst Du so etwas sagen?"

Dabei gibt es jeden Tag eine andere Tragödie, nämlich die täglichen Verunglimpfungen, die zwischen Arabern und Israelis passieren, die nicht in Jerusalem leben. Der tägliche Dreck in den Flüchtlingslagern, der tägliche Schmutz, den Du an jedem Ort findest, an dem es Gewalt gibt, an dem Menschen ermordet werden. Daher steht meiner Meinung nach die Jerusalemfrage nicht an erster Stelle für die Lösung der

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