Die Tel Aviver Literatur beginnt meiner Meinung nach etwa mit Josef Chaim Brenner, auch wenn Brenner nicht richtig über Tel Aviv geschrieben hat. Aber er schrieb im Tel Aviver Stil; das bezieht sich sowohl auf seine Entscheidung für verschiedene Stile als auch auf seinen ideologischen Standpunkt und die Art seiner Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenüber der Weltliteratur. Diese Charakteristika gelten für den ganzen Tel Aviver Stil und können auf Nathan Altermann, Yaakov Shabtai, Yehoshua Kenaz, aber auch auf einen Teil der jüngeren Generation übertragen werden.

Der wichtigste Vertreter des Jerusalemer Stils ist Samuel Josef Agnon. Er ist der Angelpunkt. In seiner Umgebung würde ich aber auch Chaim Bialik und Uri Zvi Greenberg ansiedeln, auch wenn letzterer in Ramat Gan wohnt.

Zu welchem Stil gehören Sie?

Ich stehe mit dem einen Bein hier und dem anderen dort. Im Grunde genommen ist mein Stil aber die Jerusalemer Literatur. Ich verheimliche das nicht. Sie wird jedoch seit vielen Jahren nicht in Jerusalem geschrieben, sie ist weit von Jerusalem entfernt. Sie steht auch ganz im Widerstand, in Spannung zu der Stadt. In Wirklichkeit ist sie vom Standpunkt eines Exilschriftstellers geschrieben, eines Schriftstellers, der weiter über seine Heimat schreibt, aber vom Exil aus. Aber wenn man es in einen Begriff fassen soll, dann gehöre ich zur Jerusalemer Richtung. Das trifft im großen und ganzen auch auf meine Sprache zu und auf den Aspekt der Vielfalt.

Inwieweit übrigens die Sprache eines israelischen Schriftstellers heute sein Hebräisch ist, hängt davon ab, ob er bereit ist, von der "Bank der Vergangenheit" einen Kredit aufzunehmen oder aber sagt, daß er keine Anleihe will und sich somit auch nicht in ein Schuldenverhältnis begeben will - auch nicht seinen Eltern gegenüber. Ich nehme durchaus ein wenig

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