Ich erinnere mich noch lebhaft, daß 1967, als wir hinter der Altstadtmauer so etwas wie eine eigene Stadt waren, meine erste Reaktion ein Gefühl von Freude und großem Glück war. Ich erinnere mich so genau daran, weil ich das Gefühl hatte, zuvor gewissermaßen in einer Provinzstadt zu leben, in einer sehr langsamen Stadt. Daß man jetzt in unmittelbarer Reichweite eine modernere Stadt hatte, war neu. Wenn ich beispielsweise ein Buch lesen wollte, kam ich an dieses nun viel früher ran. Es konnte vorher etwa ein Jahr dauern, bis ein Buch in Jordanien erschien. Auch bei einem neuen Film dauerte es in der Regel ein Jahr, bis er in Ostjerusalem lief. Jetzt aber konnte es sein, daß ein Film schon nach drei Monaten zu sehen war. Bücher erschienen viel früher. Auch das ganze Drumherum, daß man in Cafes oder Kinos sitzen konnte - ich freute mich wirklich, all das genießen zu können, ohne ins Ausland reisen zu müssen. Außerdem gewährte einem dies einen gewissen persönlichen Freiraum, denn wenn man in einer Provinzstadt lebt und etwa mit einem gleichaltrigen Mädchen ausgehen will, muß man sich immer irgend etwas Umständliches einfallen lassen. Ich freute mich aufrichtig. Das war meine spontane Reaktion - ohne Vorbehalte.

Wurde für Sie Jerusalem nach 1967 quasi größer ?

Es vergrößerte sich, wurde moderner, verfügte über mehr Raum, gewährte mehr Bewegungsfreiheit. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich 1968 mit vier Freunden aus einem Kino kam, es war gegen elf Uhr abends, wir waren sehr glücklich, unterhielten uns ganz arglos auf arabisch, scherzten...

In Westjerusalem?

In Westjerusalem. Plötzlich griff jemand einen meiner Freunde völlig unvermittelt an. Ich wußte überhaupt nicht, was ge¬

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