schah, hatte keine Ahnung. Es stellte sich heraus, daß sich unser Angreifer sehr dadurch belästigt gefühlt hatte, daß wir in Westjerusalem laut arabisch sprachen. Er fühlte sich dadurch eingeschüchtert und attackierte uns. Kurze Zeit später schleppte man uns zur Polizei im Russian Compound. Dort hielt man uns bis etwa halb drei oder drei Uhr fest. Natürlich ließ man uns wieder gehen, es lag ja nichts vor. Die Person, die uns angegriffen hatte, wurde allerdings nach unserem Eintreffen sofort in einem Streifenwagen nach Hause gefahren, während wir drei oder vier Stunden dort herumsitzen mußten. Dieses Erlebnis machte mir zum ersten Mal klar, daß Jerusalem zwar schön sein mochte, aber nicht mir gehörte. Ich hatte das Gefühl, nicht sicher zu sein. Und das war noch vor jener Welle von Angriffen auf Busse und andere Einrichtungen, als es sozusagen selbstverständlich wurde, daß nach jeder Aktion die Standardprozedur darin bestand, 2000 Personen aufzugreifen, weil man annahm, daß eine davon es gewesen sein könnte. Die Wirkung, die dies bei den 2000 hinterläßt, ist, daß man nirgends mehr hingeht, weil man jederzeit Gefahr läuft, wenn irgend etwas geschieht, angepöbelt oder zusammengeschlagen zu werden, obwohl man nicht das Geringste damit zu tun hat. Daher markierte dies für mich einen Wendepunkt, an dem ich das Gefühl bekam, es ist nun einmal nicht...

Ich habe heute eigentlich äußerst selten in Westjerusalem zu tun, höchstens, wenn ich bestimmte Buchläden aufsuche oder von Freunden eingeladen werde. Aber im großen und ganzen empfinde ich die Stadt als sehr stark geteilt. Meiner Meinung nach sollten wir für die Zukunft Mittel und Wege finden, sie gemeinsam zum Funktionieren zu bringen. Denn selbst wenn Jerusalem geteilt ist, muß man einen Mechanismus finden, dieser Entfremdung abzuhelfen. Ich habe das Gefühl, daß es den meisten Israelis genauso geht. Die einzigen Israelis, die wir hier in der Stadt sehen, sind die Eiferer, Men-

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