Viele Beobachter sind der Meinung, daß die 3000-Jahr-Feier Jerusalems 1996 primär ideologischer Natur war und daß die israelische Regierung mit diesem Datum versuchte, ihre politische Position bezüglich Jerusalem als der "ewigen und unteilbaren Hauptstadt Israels" festzuschreiben. Sehen Sie das auch so?

Ich beantworte Ihnen diese Frage in Form eines Witzes. Auf einer Touristenführung bei den Pyramiden in Kairo erklärt der Reiseleiter, daß jene Pyramide 4005 Jahre alt ist, und daraufhin fragt man ihn, woher er dies so genau wisse. Darauf sagt er, daß die Pyramide vor fünf Jahren, als er dort anfing zu arbeiten, 4000 Jahre alt war. Im Kontext dieses Witzes versuche ich zu verstehen, warum dieses Datum für Jerusalem festgelegt wurde. Manche sagten, es passe gut zu irgendeinem Geburtstag Teddy Kolleks, und andere meinten, es passe gut zu den Wahlen 1996. Ich glaube übrigens, Jerusalem wurde 1956/57 schon einmal für 3000 Jahre alt erklärt - man kann das wohl öfters machen.

Was ist das Geheimnis, das Jerusalem seit Jahrtausenden so anziehend macht? Warum ist die Stadt für so viele Menschen ein besonders heiliger Ort, der aber dennoch so verschieden interpretiert wird?

Die Menschen brauchen, wie es scheint, Wegweiser. Sie wollen offenbar etwas Vorgefertigtes, was ihnen den Lebensrhythmus vorgibt. Wir Menschen richten unsere Feste nach bestimmten Jahreszeiten und Lebensaltern, weil wir anscheinend einen bestimmten Rhythmus benötigen. Genauso braucht man irgendwelche heiligen Orte, quasi als Teil eines Kultes.

Als die Menschen zerstreut in der Diaspora lebten, waren sie gezwungen, sich an irgendeinem Ort zu versammeln; wir wissen das von einigen Kulturen. Jerusalem wurde in der Tat

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