andere Städte favorisierten. Was die Entwicklung nach der Gründung Israels 1948 anbelangt, habe ich oft den Eindruck, daß der politische Mythos Jerusalems nach 1967 von der israelischen Seite wieder stärker hochgespielt wurde.

Ich denke, daß Sie sich da irren. Die Knesset, das israelische Parlament, wurde bereits einige Jahre vor dem Sechstagekrieg von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Ben-Gurion und die zionistische Bewegung dachten übrigens nie ernsthaft darüber nach, eine andere Hauptstadt als Jerusalem zu haben, weil auch für sie Jerusalem ein Symbol war. Die Tatsache der besonderen Beziehung des jüdischen Volkes zu Jerusalem kann nicht geleugnet werden, auch wenn andere Völker und Religionen ebenfalls ein enges Verhältnis zu der Stadt hatten und haben, wie zum Beispiel die Christen.

Nicht zuletzt christlich-fundamentalistische Gruppen warten auf das Kommen des Messias nach Jerusalem. Wenn der Erlöser kommt; werden bekanntlich ja die Juden wissen, daß er der wirklich^ Messias ist, und deshalb brauchen diese Gruppen die Juden. Deshalb unterstützten einige von ihnen auch Meir Kahane. Er war Mitglied der fanatischsten, radikalsten Organisation, die im absoluten Widerspruch zu allen amerikanischen Auffassungen von Demokratie steht und eine Menge Unterstützung von fundamentalistischen Christenvereinigungen erhielt.

Ich stimme Ihnen hinsichtlich der Bedeutung Jerusalems als geistiges Zentrum des jüdischen Volkes zu. Dennoch denke ich über die Möglichkeit nach, zwischen Jerusalem als geistigem und politischem Zentrum des Judentums eine Trennung vorzunehmen.

Solange Israel als Staat existiert, wird es auf Jerusalem als Hauptstadt nicht verzichten. Unabhängig davon gibt es aller-

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