wurde zu einem Sprengstoff. Es entstand eine höchst explosive Mischung.

Ein anderes Beispiel sind der "Jerusalemtag" und der "Unabhängigkeitstag". Der Unabhängigkeitstag nahm immer mehr an Bedeutung ab - selbst die Religiösen veranstalten an ihm heute Picknicks. Nichts passiert mehr, nichts blieb von all der Begeisterung übrig; es finden kaum noch irgendwelche Veranstaltungen statt. Der Jerusalemtag hingegen wurde zum Brennpunkt des israelischen Chauvinismus, denn Jerusalem läßt sich sowohl mit tief religiösen Vorstellungen verbinden als auch mit säkularen Auffassungen. Daraus entsteht ein Bild, von dem sich jede Bevölkerungsschicht Israels angesprochen fühlt, selbst die der Ultraorthodoxen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, daß die Orthodoxen immer öfter an Demonstrationen für die Schließung des Orient-Hauses teilnehmen. Das erscheint mir ernster als jede andere Entwicklung. Es geschieht, weil Jerusalem für sie beinahe ein "Baum im Himmel" ist. Der Staat Israel hingegen ist für sie ein Problem: Er kann kein "Baum im Himmel" sein, da er ein weltlicher Staat ist. Durch die starke Ideologisierung der israelischen Gesellschaft wird die Öffentlichkeit in dieser Auffassung sogar zusätzlich gestärkt. Ich werde bestimmt nicht die Gefahr unterschätzen, daß Jerusalem der nationale Brennpunkt sein könnte, an dem es zu einer Explosion kommt - wenn es dazu kommt, dann in Jerusalem. In diesem Kontext denke ich allerdings nicht, daß die Veränderungen, die es nach 1967 gab, der israelischen Bevölkerung große Sorgen bereiten. Die meisten Israelis sind eigentlich völlig apathisch, es interessiert sie überhaupt nichts. Aber innerhalb dieser Öffentlichkeit, die gar nichts interessiert, gibt es eine Gruppe mit radikalen Ansichten, die wirksam wird, weil sie ihre Aktivitäten konzentriert und von außen keinen Widerstand erhält. Die Friedensbewegung Shalom Achshav (Peace Now) kann keinesfalls gegen 100 000 religiöse Juden antreten, denn deren Mobilisierungs¬

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