ten Pilger aus den verschiedensten Ländern nach Jerusalem kommen; das ist bis heute so geblieben.

Würden Sie die Kreuzzüge zu den Pilgerfahrten rechnen ?

Die erste Bedeutung der Kreuzzüge war, den Pilgern zu ermöglichen, das Heilige Grab zu erreichen. Man mußte sich hierfür politisch einmischen; viele Kreuzfahrer verhielten sich aber falsch. Man muß jedoch bei aller Kritik anerkennen, daß die Kreuzzüge einen christlich-religiösen Hintergund hatten.

Wollen Sie mit der Betonung dieses Aspekts der Kreuzzüge sagen, daß deren Bewertung von außen ganz anders ausfällt?

Die Bewertung ist sehr negativ. Sie fällt vor allem unter den Moslems negativ aus, aber auch unter vielen Christen, weil die Kreuzzüge ausschließlich als Invasion des Orients aus dem Westen wahrgenommen werden. Sie werden sogar mit dem gegenwärtigen modernen Kolonialismus verglichen. Das aber ist eine Übertragung des Mittelalters in die Gegenwart. Man muß die Kreuzzüge jedoch aus ihrer Zeit, aus dem Mittelalter heraus verstehen; man darf sie nicht aus dem Mittelalter herausreißen und in die Gegenwart versetzen. Das Mittelalter war eine Phase, in der Moslems und Christen einander bekämpften. Beide versuchten, voneinander soviel wie möglich wegzunehmen. Es war eine Epoche der Eroberungen. Diese Zusammenhänge sollten also im Interesse der historischen Wahrheit immer erwähnt werden: Die Moslems waren Eroberer und die Christen ebenso. Und wenn beide auf demselben Territorium aufeinandertrafen, bekämpften sie einander. Die arabische Welt sollte also diese Zeit nicht aus der Perspektive West gegen Ost, nicht aus der Perspektive des modernen Kolonialismus betrachten. Es ist allerdings ebenso inkorrekt, westliche Interessen in dieser Region heute eben¬

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