War der Grundlagenvertrag zwischen dem Staat Israel und dem Vatikan vom Dezember 1993 aus dieser Sicht ein hilfreicher Schritt?

Ja, durchaus. Ursprünglich war es sehr schwierig, das Geschehen zu akzeptieren, denn die Gesamtsituation war noch immer wie im Jahre 1948, so daß die Menschen sich fragten: "Warum jetzt - warum nicht 1948?" Inzwischen hat sich die Situation aber verändert. Und die veränderte Lage hat den Vatikan dazu veranlaßt, dieses Abkommen zu schließen. Alle Seiten schließen Frieden - wir können das nicht ignorieren. Dieser Schritt des Papstes bedeutet, daß der Vatikan als Kirche und moralische Autorität in der Welt ein Wort mitzureden hat.

Wenn die Palästinenser Ansprüche geltend machen, kann die Kirche indirekt - sie hat keine offizielle Kompetenz - mitreden, sie kann sagen, sie haben recht. Ihre Position besteht darin, sich nicht in ihre Angelegenheiten, ihre Souveränität einzumischen, aber wir können ihnen recht geben. So wie wir es richtig finden, daß sie in Jerusalem ihre politischen Rechte wahrnehmen können. Daher glaube ich, daß die Präsenz der Kirche etwas Positives ist. Natürlich wäre es besser, wenn es eine einheitliche christliche Stimme gäbe - aber die gibt es nun einmal nicht, das ist sinnlos. Die anderen Kirchen werden den Heiligen Stuhl nicht dazu delegieren, in ihrem Namen aufzutreten. Daher sollte die orthodoxe Kirche ebenfalls mit eigener Stimme sprechen. Ebenso sollten die protestantischen Kirchen, vielleicht auch der Weltkirchenrat, bei all dem mitreden können, da Jerusalem alle Christen etwas angeht. Auch sollten sich alle Christen um die Situation der Menschen hier Gedanken machen, auch wenn die anderen Menschen, die hier leben, keine Christen sind, sondern Israelis, Juden, Moslems. Da aber Jerusalem christlich ist - dem

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