Der jüdische Tannhäuser

Über Theodor Herzl

12. Dezember 1996

Am 14. Februar 1896 erschien in Wien eine kaum 90 Seiten starke Broschüre, die den grandiosen Namen Der Judenstaat trug. Sie erregte kein besonderes Aufsehen. Der Autor, ein gewisser Dr. Theodor Herzl, war zwar als Feuilletonist und Stückeschreiber ziemlich bekannt, wurde aber als politischer Kopf

kaum ernst genommen. Man betrachtete ihn

bestenfalls als Fantasten, schlimmstenfalls als Scharlatan und Hochstapler.

Dennoch löste dieses Büchlein eine der größten Revolutionen des 20. Jahrhunderts aus. An deren Ende ist das kommunistische Imperium, das auf dem Werk eines anderen Juden, des christlieh getauften Karl Marx, beruhte, sang- und klanglos zusammengebrochen. Und auch das Dritte Reich, das der Osterreieher Adolf Hitler in Mein Kampf entwarf, ist nur noch schaurige Erinnerung. Aber der Judenstaat Herzls besteht und hat nach langem Krieg mit einigen seiner Nachbarn Frieden geschlossen.

Dabei hatte das Buch eine sonderbare Entstehungsgeschichte. Herzl selbst beabsichtigte zunächst gar nicht, seine Schrift zu veröffentlichen. Als er in fieberhafter Stimmung, unter dem Eindruck der Opern Richard Wagners, besonders des "Tannhäuser", seine Gedanken in Paris zu Papier brachte, machte er sich nur Notizen für eine Rede, die er im Familienrat der Rothschilds zu halten gedachte. Mit dem Geld der großen Bankiers wollte er nämlich seinen Plan ausführen, die Meinung der jüdisehen Massen kümmerte ihn nicht. Aber die Rothschilds dachten gar nicht daran, den aufdringlichen Wiener Journalisten zu empfangen. Aus der Rede wurde nichts, und Herzl beschloss schweren Herzens, seine Ideen nun doch nach draußen zu tra¬

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