nicht zu provozieren, forderten die Zionisten lediglich eine "öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte in Palästina". Herzl aber schrieb in sein Tagebuch den berühmt gewordenen prophetisehen Satz: "In Basel habe ich den Judenstaat gegründet." Das konnte vor 99 Jahren komisch klingen, und viele lachten auch. Denn hinter Herzl stand so gut wie nichts - keine wirkliche Bewegung, kein Geld, keine Zeitung. Es ist auch heute noch ein Rätsel, wie es ihm gelang, von Fürsten, Ministern und anderen Staatsmännern empfangen zu werden. Das hat wohl viel mit seiner charismatischen Persönlichkeit zu tun, vielleicht auch mit der Illusion, dass er über die Millionen der jüdischen Hochfinanz verfügen könne.

Der Hohen Pforte in Istanbul schlug er vor, als Gegenleistung für Palästina die notorischen Finanzprobleme des Osmanischen Reiches zu lösen - ein Versprechen, das jeder Deckung ermangelte und das Gott sei Dank vom Sultan abgelehnt wurde. Herzl, der keine Ahnung vom Orient hatte, wusste natürlich nicht, dass es für den Kalifen ganz unmöglich gewesen wäre, islamisches Land an Ungläubige abzugeben.

Mit Hilfe des Großherzogs von Baden, der sich der Sache verschrieb, kam eine kurze Romanze mit Wilhelm II. zustande. Ihm bot Herzl ein deutsches Protektorat über ein jüdisches, Deutsch sprechendes, autonomes Gemeinwesen in Palästina an. Der Versuch, die hebräische Sprache zu beleben, kam Herzl lächerlich vor. Auch für Demokratie war er nicht zu haben. Er stellte sich eine "aristokratische Republik" mit einem gewählten Fürsten vor. Wilhelm II. war ein Antisemit, der einem Witz zufolge später gesagt haben soll: "Der Zionismus ist eine prachtvolle Idee - nur mit Juden ist sie nicht auszuführen." Aber Herzl verhandelte gern mit Antisemiten, in Deutschland wie in Großbritannien und Russland. Er behauptete sogar, dass es "anständige Antisemiten" gebe: Da diese die Juden loswerden wollten, der Zionismus sie aber in Palästina haben wollte, schien ihm eine Zusammenarbeit ganz natürlich. Dieser naive Glaube spukte noch lange im Zionismus herum, bis der Holocaust ihm ein schreckliches Ende setzte.

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