Die Stimme ihres Meisters

Fehler der Geheimdienste

15. Juni 2002

Als der wütende Mob im Begriff war, den Palast des Sultans zu stürmen, verbreitete der Agent des Wesirs das Gerücht, am Stadttor würde Weizen umsonst verteilt. Der Mob vergaß den Palast und eilte zum Stadttor. Plötzlich sprang der Wesir auf und begann ebenfalls wegzulaufen. "Wohin gehst du?", rief der Sultan, "du weißt doch, dass es gar keinen Weizen gibt!" "Wer weiß?", erwiderte er, "vielleicht stimmt es doch."

Bei der kürzlichen Wende der Ereignisse in den Vereinigten Staaten musste ich an diese Geschichte denken. Nach langen Monaten einfältigen Schweigens - nach dem 11. September -, als alle US-Medien in geschlossener Reihe hinter dem Präsidenten marschierten (so wie die israelischen Medien hinter Sharon), begann man, kritische Stimmen zu vernehmen. Wo ist der Geheimdienst gewesen? Hätte er im Voraus etwas von dem wissen können, was passierte? Hat er sich eines gewaltigen Versäumnisses schuldig gemacht? Wer ist dafür verantwortlich? Nur die Geheimdienste oder auch der Präsident?

Bush mochte diese Fragen gar nicht. Als seinem Volk klar wurde, dass all das zu einer Untersuchung drängte, entdeckten die Dienststellen eine neue schreckliche Verschwörung: Der grausame Feind plante, eine radioaktive, "schmutzige Bombe" in den USA explodieren zu lassen. Sie entdeckten sogar den furchterregenden Bomber, einen kleinen Straßenganoven lateinamerikanischer Herkunft, der im Begriff war, jeden Moment diese wahrlich raffinierte Schandtat auszuführen. Die Nation wurde von Hysterie erfasst, die Medien und der Kongress standen in Hab-Acht-Stellung. Vielleicht ist sogar etwas Wahres

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