Was für eine Schau!

Der Prozess gegen Marwan Barghuti

5. September 2002

Wer erinnert sich nicht an diese Szene: Ein Jude wurde in Moskau als zionistischer Spion vor Gericht gestellt. Familienmitglieder und Freunde waren gekommen, um den Prozess zu beobachten, wurden aber daran gehindert. Es sei kein Platz mehr frei, wurde ihnen gesagt; alle Plätze seien schon besetzt. Und tatsächlich, KGB-Agenten hatten die Halle schon beizeiten gefüllt, und als der Angeklagte hereingeführt wurde, fingen sie an zu schreien: "Verräter!" "Spion!" "Tötet ihn!"

Vorgestern wurde ich in Tel Aviv Zeuge einer erschreckend ähnlichen Szene. Im Distriktgericht war die Forderung der Anklage verhandelt worden, Marwan Barghuti bis zum Ende seines Prozesses im Gefängnis festzuhalten. Barghuti, eine prominente politische Persönlichkeit, war seit Jahren als der Führer von Arafats Fatah-Bewegung im Westjordanland bekannt. Er hatte an vielen Friedensdemonstrationen teilgenommen, dann wurde er von der israelischen Armee gekidnappt und als Terrorist vor Gericht gestellt. Gush-Shalom-Aktivisten und andere entschieden sich, den Prozess zu beobachten.

Ich war schon zwei Stunden früher da. Trotz meines Presseausweises wurde mir aber nicht erlaubt, den Gerichtssaal zu betreten. Das bereits anwesende Publikum wurde nach draußen getrieben, während drinnen eine Einsatzbesprechung von Sicherheitsleuten stattfand. Ich hatte einen flüchtigen Blick auf Dutzende von Sicherheitsbeamten und andere im Raum geworfen. Offensichtlich wurde geplant, was dann geschah.

Unterdessen versammelte sich vor der Tür eine Menschenmenge. Die Sicherheitsleute befahlen, dass alle ein Stockwerk

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