"Arafat besuchen? Um Himmels willen, warum?"

10. Mai 2003

Sind Sie verrückt geworden? Gerade jetzt? Er ist doch erledigt!" Das war die Reaktion einiger Leute, als das israelisehe Fernsehen in dieser Woche über mein Treffen mit Arafat in Ramallah berichtete.

Ist Arafat "erledigt"? Wenn dem so wäre - er hat nichts davon gehört. Ich fand ihn in bester Verfassung vor. Bei einigen unserer Treffen im Laufe der letzten Jahre sah er müde aus, war zurückhaltend und in sich selbst versunken. Dieses Mal war er in guter Stimmung. Er sprach entschieden, reagierte schnell, machte sich sanft lustig über seine Mitarbeiter und gab auch ein paar bissige Bemerkungen zum Besten. Zum Beispiel: Als er über Sharons Forderung sprach, dass Mahmoud Abbas (Abu Mäzen) Massenverhaftungen ausführen solle, meinte er lachend: "Aber die Israelis haben alle unsere Gefängnisse zerstört, außer dem einen in Jericho. Und wenn wir einen Kriminellen dorthin bringen wollen, müssen wir das Quartett - USA, EU, UNO und Russland - um einen Wagen bitten, um die Durchfahrt durch die israelischen Checkpoints zu ermöglichen."

Man kann Arafats gute Stimmung verstehen. Während des letzten Jahres hing sein Leben an einem seidenen Faden. Sharon hätte jeden Augenblick seine Leute schicken können, um ihn zu töten. Mehrere Male schien diese Gefahr so nahe, dass meine Freunde und ich es für nötig hielten, schnell zu ihm zu eilen, um als menschliche Schutzschilde zu dienen. Ein israelischer Offizier rühmte sich diese Woche: "Nur eine dünne Wand hat ihn von mir getrennt."

Nun ist diese Gefahr in weitere Ferne gerückt, auch wenn Arafat noch immer in seinem kleinen Gebäude inmitten von sur¬

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