Der Gefangene von Ramallah

2. August 2003

Jeder Fernsehzuschauer kennt die Brücke zwischen den beiden Gebäuden, die innerhalb des Trümmerfelds von Arafats Amtssitz (Mukataa) in Ramallah stehen geblieben sind. Während eines meiner letzten Besuche bei Arafat zeigte ein palästinensischer Offizier auf einen einfachen Tisch und Stuhl neben einem der Fenster in dieser Brücke. Durch dieses Fenster kann man ein Stück palästinensische Landschaft hinter RamalIah sehen. "Hier sitzt Abu Ammar gern zwischen den Sitzungen und schaut hinaus", erklärte er. Abu Ammar ist der Nom de Guerre und so eine Art Kosename von Yassir Arafat.

Als ich ihm 1982 in Beirut zum ersten Mal begegnete, war Arafat der vielleicht reisefreudigste politische Führer der Welt. Einmal erzählte er, dass er in den letzten fünf Tagen sieben Länder besucht und nur im Flugzeug zwischen den Bestimmungsorten geschlafen habe. Zu jener Zeit trug er um den Hals eine Halskrause. Jetzt sitzt er seit mehr als zwei Jahren im Gebäudekomplex gefangen. Zeitweise waren die Lebensbedingungen schlimmer als in einem gewöhnlichen Gefängnis: Er lebte in einem geschlossenen Raum ohne Frischluftzufuhr, fast ohne Wasser und mit verstopfter Abwasserleitung. Er wusste, dass in jedem Augenblick Sharons Soldaten hereinstürmen konnten, um ihn zu töten.

In ein paar Tagen wird Arafat 74 Jahre alt. Er wird seinen Geburtstag in seinem Gefängnis verbringen - eine gute Gelegenheit, sich über diesen Menschen und sein Lebenswerk Gedanken zu machen.

Auf der Weltbühne befindet er sich länger als jeder andere Staatschef - ausgenommen Fidel Castro. Viele der heutigen politischen Führer der Welt, wie Bush oder Blair, waren noch Kinder, als Arafat schon die Verantwortung für das Schicksal des

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