Wiederholung der Geschichte?

Nationalismus, Nazis und Skinheads in Deutschland

30. November 1992

Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht; ich kann nicht mehr die Augen schließen, und meine heißen Tränen fließen ..." Das hat Heinrich Heine, der deutscheste aller jüdischen Dichter, vor eineinhalb Jahrhunderten geschrieben - lange vor dem Deutschen Kaiserreich von 1871, lange vor dem Dritten Reich. Er dachte dabei nicht nur an seine Mutter. Was war es, das er geahnt hat?

Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit gibt es überall. Auch bei uns in Israel. In vielen Ländern, auch bei uns, gibt es rechtsradikale Elemente, die an die primitivsten Instinkte der Massen appellieren, von Hassgefühlen leben und in Krisen gedeihen. Was ist es, was in Deutschland doch anders ist? Es ist die Gewalttätigkeit, das Morden, die Stille der stillen Mehrheit, die Gleichgültigkeit der Polizei, die seltsame Barmherzigkeit der Gerichte, das Versagen des Verfassungsschutzes, die Kapitulation der Politiker. Irgendwas stimmt da nicht mit der Reaktion des Volkes. Man hat ja gesehen, wie deutsche Behörden reagieren, wenn sie wirklich wollen. Der RAF gegenüber, nur zum Beispiel.

Ist das eine Wiederholung der Weimarer Geschichte? Der Vergleich drängt sich beinahe auf. Horst Wessel. Die Gerichte. Die Polizei. Natürlich stimmt der Vergleich nicht. Solche Vergleiche stimmen nie. Die Geschichte wiederholt sich nicht so genau. Ich war neun Jahre alt, in Hannover, als die Weimarer Republik ihre arme Seele aufgab. Es war eine andere Zeit, ein anderes Deutschland. Was heute passiert, ist nicht Deutschland

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