Uri Avnery: Ein Porträt

Roland Kaufhold

Kindheit in Hannover

Uri Avnery wurde am 13. September 1923 unter dem Namen Helmut Ostermann in Beckum/Westfalen geboren. Er war eines von vier Kindern eines jüdischen, vom deutsch-humanistischen Geist geprägten Elternhauses. 1913 hatten seine Eltern geheiratet, und ein Freund hatte ihnen aus diesem Anlass gemäß alter zionistischer Tradition eine Urkunde für die Anpflanzung eines Baumes in Palästina geschenkt. Seine Großeltern stammten ebenfalls aus Westfalen, und der Großvater war als Lehrer der jüdischen Gemeinde in Beckum tätig. Nach einem Jahr siedelten die Ostermanns nach Hannover über, wo Helmut die Grundschule sowie die 5. Klasse des katholischen, humanistischen Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasiums besuchte. Sein Vater war im Finanzwesen, an der Börse, tätig und verfügte über einen gewissen Wohlstand. Helmut wuchs in einem assimilierten deutsch-jüdischen Milieu auf; die Nachbarschaft seiner Familie in Hannover war nicht jüdisch. Sie gingen nur an zwei Feiertagen in die Synagoge, dennoch bestand der größte Teil ihrer Freunde aus Juden.

Mit neun Jahren trat Helmut der zionistischen Jugendbewegung "Die Werkleute" bei. Gemeinsam machten sie Ausflüge, sangen hebräische Lieder, obwohl sie kein Wort vom Text verstanden, und Helmut las alles, was es seinerzeit über Palästina gab. Diese frühen Interessen und Identifikationen sollten sich als bedeutsam für seinen weiteren Lebensweg erweisen und erleichterten ihm den Weg nach Palästina: "Also, seelisch waren wir total auf Palästina vorbereitet. Aber, was heute ja keiner mehr wahrhaben will, als Zionisten stellten wir eine winzige Minderheit dar! Damals in Deutschland Zionist zu sein, das war - wie

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