onsfähigkeit veranschaulicht worden, die den aus Deutschland nach Israel geflohenen Juden - die in Israel etwas spöttisch als Jeckes bezeichnet werden - abverlangt wurde. Vielen gelang es nicht mehr, Hebräisch zu lernen; sie fanden in Tel Aviv oder Haifa eine neue Heimat in dem letztlich kleinen, heute langsam aussterbenden Kreis der deutschstämmigen Juden.

Eine solche nur partielle Integration in die Gesellschaft und Kultur Israels gehört auch zu Avnerys familiärem Erfahrungshorizont. Sowohl seine Eltern als auch seine aus Berlin stammenden Schwiegereltern vermochten nicht mehr, Hebräisch zu 1ernen - und es scheint ihnen gelungen zu sein, dies nicht als Kränkung zu erleben. Avnery gibt hierfür eine schöne Erinnerung an seine Schwiegermutter wieder, die immerhin 95 Jahre alt wurde: "Einmal sagte eine Bekannte zu meiner Schwiegermutter: 'Sie sind jetzt 50 Jahre im Lande und sprechen immer noch kein Hebräisch; schämen Sie sich nicht?' Sie sagte: )Natürlich schäme ich mich. Aber es ist viel leichter, sich zu schämen als Hebräisch zu lernen.'" (In: Koppel 2000, S. 138)

1969 erinnert sich Avnery an das neue Leben seiner Eltern in Palästina beziehungsweise Israel:

"Aber was mögen unsere Eltern in jenem Augenblick empfunden haben? Diese Frage habe ich mir oft gestellt. Welch einen ungeheuren Mut müssen sie gehabt haben. [...] Als ich später als Journalist über den Eichmannprozess zu berichten hatte,1 dachte ich zurück an meinen Vater, dessen Intuition uns das Leben gerettet hatte. Ich bin ihm zutiefst dankbar. Ich sehe ihn noch, wie er die Wäsche auf seinem Fahrrad transportierte, todmüde, doch von unzerstörbarer Fröhlichkeit, glücklich, wie er es niemals hinter seinem Direktionstisch in Hannover gewesen war. Er war wirklich ein Mensch." (Avnery 1969, S. 11)

Avnerys Vater blieb ein unverbesserlicher Optimist; und dieser Optimismus übertrug sich auf seine neuen - zum größten Teil deutschstämmigen - Kunden sowie erkennbar auch auf seinen lernbegierigen Sohn Uri. Dieser Optimismus wurde offenkundig zu Uri Avnerys unzerstörbarem inneren Erfahrungskern.

262