liberal und demokratisch, als Verbündeter der arabischen nationalen Bewegung und Partner im Aufbau einer regionalen Konfbderation.

Die Experten sagten mir, man könne einem literarischen Text keinen politisch-ideologischen Teil hinzufiigen. Ich blieb stur und ließ den Text am Ende des Buches als Epilog drucken. Die darin enthaltenen Gedanken sollten in den Köpfen der Leser Wurzeln schlagen. Die Überschrift des Epilogs lautete: "Für die Gefallenen der nächsten Runde".

In der vorliegenden Ausgabe ist dieses Kapitel nicht enthalten. Denn was ich damals, im Jahr 1949, geschrieben hatte, schilderte die damalige Realität. Stattdessen habe ich eine aktuelle Einfuhrung verfasst, die die Ereignisse in ihren historischen Zusammenhang stellt und in eine zeitliche Perspektive setzt.

Ich bin von Natur aus ein optimistischer Mensch. Als ich mit acht Jahren in Hannover die Schulbank drückte, erzählte uns die Lehrerin von dem Denkmal von Hermann dem Cherusker, der

"mit dem Blick zum Erbfeind" dastünde. "Kinder, wer ist der Erbfeind?", fragte die Lehrerin, und alle Kinder riefen im Chor: "Frankreich! Frankreich!"

Heute gehören Frankreich und Deutschland der Europäischen Union an, und Deutsche und Franzosen überqueren ohne jede

Formalität und ganz selbstverständlich die Grenze zwischen ihren Ländern. Eine Grenze, an der in früheren Generationen Millionen starben.

Der zweiten Auflage von Die Kehrseite der Medaille fugte ich folgenden Abschnitt hinzu: "Im Lazarett leistete ich einen Schwur. Vielleicht war es pathetisch, vielleicht sogar kindisch. Ich schwor, den Rest meines Lebens - das mir von vier aus Marokko stammenden Rekruten geschenkt wurde, die mich unter teuflischem Feuer nach meiner Verwundung retteten - dem Kampf für den

Frieden zu widmen. Ich habe mich häufig an diesen Schwur erinnert, vor allem in Momenten der Enttäuschung, der Frustration und der Schwäche."

Ich hoffe, dass ich diesen Schwur nicht gebrochen habe und

dass ich ihn nicht brechen werde, solange ich noch auf dieser Welt lebe.

Uri Avnery

Tel Aviv, im Dezember 2004

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