13. August 1948, Jassir

Kleiner Gefangener

Der Widerstand war gebrochen. Der Feind hatte sich aus dem

Dorf zurückgezogen. Jetzt schossen sie noch vereinzelt vom Berg gegenüber. Ab und zu hörte man das Summen einer Kugel in großer Höhe, wie das einer trägen Biene. Sie feuerten nur so. Ohne die Entfernung zu berücksichtigen. Ein Gegenangriff war nicht mehr zu befürchten.

Die Männer verteilten sich über das Dorf und gingen in die schmalen Gassen, um nach Gefangenen, nach Munition und nach Souvenirs zu suchen. Vor allem nach Souvenirs. Sie suchten keine wirklichen Wertsachen. Sie begnügten sich mit einer Kafijah, mit einem Dolch, einer Gebetskette. Der Sprengmeister, der eines Tages mit einer geschmückten Wasserpfeife erschien - das war schon etwas.

An einer dunklen Gasse trennte sich Rafi von seiner Gruppe. Er wollte allein sein. Er begründete es mit der Notwendigkeit, auch die dunkelsten Gassen überprüfen zu wollen, die seine Kameraden gern übersahen. Dort könnten sich schließlich Scharfschützen verstecken. Aber das war nur eine Ausrede. Auch diesmal trieb ihn, wie immer, eine Mischung aus Neugier und Abenteuerlust.

"An der Front darfst du kein Abenteurer sein", predigten seine Freunde, als er sich mal wieder freiwillig für eine besondere Aufgabe meldete. "An der Front musst du einfacher Soldat sein. Verstehst du? Man befiehlt dir - dann geh. Man befiehlt dir nicht - dann steck deine Nase in keine fremden Angelegenheiten." Und Joske, der Clown, ergänzte trocken: "Wenn ich bei einem solchen Job sterben sollte, würde mich das bis zum Ende meiner Tage ärgern."

Rafi entsicherte seine Sten-Gun. Vielleicht versteckt sich hinter einer der Holztüren ein arabischer Scharfschütze, oder einfach ein Fellache7, der den Ort seiner Vorfahren nicht verlassen wollte. Eigenartig, dass nur so wenige diesen Weg gewählt hatten. Dies ist wohl die Erbschaft der Versklavung. Sie waren nie frei. Uber Generationen waren sie Opfer fremder Herrscher.

Zum Teufel, brummte Rafi. Immer überfielen ihn diese philosophischen Gedanken, während er allein durch arabische Dörfer trottete. Es war wie ein Fluch. Du darfst nicht allzu viel nachdenken über die dunklen Seiten des Krieges. Das macht dir das Leben

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