Punkt zehn hören sie plötzlich starkes Knattern auf der ägyptisehen Welle und dann kommt der Ruf von Ibrahim deutlich über den Äther: "Hallo, hallo - Ba Alfa eins, hallo - Ba Alfa eins, hallo Ba Alfa eins ..."Tucki gibt die Hörer anjamus weiter und der tagliehe Austausch saftiger Flüche beginnt.

Die allmorgendliche Unterhaltung gibt Jamus' Leben neuen Inhalt. Die meisten seiner Aufgaben als Zugführer werden mir übertragen. Ich muss für die Verteilung des Essens und die Einteilung der Wachen sorgen. Jamus ist beschäftigt. Er sitzt in seinem kleinen Zelt, in der Hand den Rest eines ehemaligen Bleistifts, und notiert fleißig uralte Flüche auf einem Stück alter Zeitung. Er gräbt in seinen Erinnerungen aus der Schulzeit; oder er erfindet neue Flüche. Sein höchstes Ziel besteht darin, den ultimativen, endgültigen Fluch zu formulieren. Den, der Ibrahim so erschüttern und entsetzen wird, dass er keine Antwort mehr findet und seine Niederläge zugeben muss.

Aber auch Ibrahim hat Talent - und Zeit. Jeden Morgen hat

auch er eine neue vorbereitete Liste. Beider Mütter und Väter bis in die fünfte Generation, Brüder und Schwestern, Onkel und Tanten, Religion, Nationalität, Heimat - alles ist ein Objekt für Beschimpfungen und endloses Fluchen, ohne dass das Duell zu einer Entscheidung kommt.

Und inmitten all dieser Beschimpfungen berichten sich Jamus und Ibrahim gegenseitig über ihr Leben. Würden sie sich zufällig treffen, sie könnten sich sicher erkennen.

Am fünften Tag des Dialogs erhält Jamus einen Tag Urlaub. Beim morgendlichen Gespräch, zwischen Fluch und Beschimp-

fung, teilt Jamus Ibrahim dies mit. Der verfällt gedankenverloren in Schweigen. Die Situation im Kessel ist verzweifelt. Nun ist auch der letzte Weg versperrt, auf dem in dunklen Nächten mit Kamelkarawanen ein paar Versorgungsgüter geschmuggelt werden. Dort herrscht inzwischen akuter Mangel an Medikamenten, Lebens-

mittein und Munition.

"Hör zu, Jamus, du Zuhälter ...", dann macht Ibrahim eine Pause. Zum ersten Mal formuliert er eine persönliche Bitte. Das fällt ihm schwer. Er hat eine Schwester in Jaffa. Seit dem Ausbruch des Krieges hat er nichts mehr von ihr gehört. Wenn Jamus bereit ist, etwas für ihn herauszufinden, wird er sich in einer halben Stunde wieder melden und ihm die Adresse mitteilen. Jamus hat keine

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