Eines jeden Schwert wider den andern ...

(Richter 7,22)

"Schwester! Schwester!"

Mein Ruf kam zu spät. Seit einigen Minuten starrt derVerwundete mit leerem Blick zu dem Glas auf seinem Nachttisch. Dann versucht er, sich auf seinen Ellbogen abzustützen. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Langsam, unter großer Anstrengung, richtet er sich auf. Aber bevor er das Glas erreicht, sinkt er wieder in die Kissen.

Rachel kommt gerannt und schaltet das Deckenlicht an. Das

Gesicht des Verwundeten ist rot vom Fieber. Sein Mund steht offen. Er liegt bewegungslos da. Nur seine Augen sind wach, als würde sich darin seine ganze Existenz konzentrieren. Sie füllen den Raum mit einem stummen Schrei.

"Warum - quält - ihr - mich?", murmelt er.

Rachel streicht ihm über die Haare. Sie redet mit ihm wie mit einem kleinen Kind. "Red keinen Unsinn. Wir quälen dich doch nicht. Wir wollen dir helfen, wieder gesund zu werden." Sie spricht leise, und ich weiß nicht, ob sie ihn oder sich selbst zu überzeugen versucht.

"Was habe ich euch getan? Was hab ich euch getan?" Er ver-

sucht zu schreien, aber er ist schon zu schwach. Seine Stimme klingt abgehackt, von seinem schnarrenden Atem begleitet -

schlimmer als jeder Schrei.

"Du musst durchhalten!", sagt Rachel. "Alles wird gut. Morgen sind die Schmerzen vorbei. Jetzt musst du durchhalten."

Der Verwundete beachtet sie nicht. In seinem Kopf lauert

plötzlich ein neuer Gedanke. Und für zwei Gedanken hat er keine Kraft: "Ihr - hasst - mich", stößt er aus, "ihr - hasst - mich - alle ..." Rachel ist entsetzt. Sie starrt ihn hilflos an. "Ihr - tötet - mich - weil - ich - ein Etzel-Mann - bin ..."

Die schrecklichen Worte hängen in der Luft.

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