Vermodern die Knochen eines Curie am Strand von Monte Cas-

sino? Ist ein neuer Einstein im Stacheldraht von Iraq-al-Mandshijeh oder Beith Affa hängen geblieben?

Vermutlich schlafen die Eltern meines Zimmernachbarn gera-

de und wissen gar nicht, dass ihr Sohn mit dem Tod ringt. Keiner hat es ihnen gesagt. Sonst wären sie am Tag nach seiner Verwundung gekommen, hätten ihn angestarrt und draußen auf dem Flur geschluchzt. Eltern weinen, wenn ihr Sohn im Sterben liegt. Dann ist es aber meistens zu spät. Sein Schicksal war schon besiegelt, als er noch gesund und munter war.

Vielleicht liegt in der Kompanie meines Nachbarn ein ver-

schlossener Briefumschlag, auf dem in seiner Handschrift steht: "Im Falle meines Todes weiterleiten." Einige haben solche Briefe hinterlegt, bevor sie ausgerückt sind. Die meisten von uns haben es nicht getan. Warum auch? Solche Briefe sind lächerlich und melodramatisch. Das geniert uns. Was soll man auch schreiben? "Liebe Eltern, wenn ihr diesen Brief bekommt, bin ich nicht mehr am Leben ..." Idiotisch. Was kann einer seinen Eltern sagen? "Ich bitte euch um Entschuldigung für all die Sorgen, die ich euch bereitet habe ...", oder "... Ich hoffe, dass wir uns in einer besseren Welt Wiedersehen ...". Dabei glaubt keiner daran, dass es solch eine bessere Welt gibt. Man könnte auch wie in einer zionistischen Traueranzeige mit "Der Aufbau der Heimat wird euch Trost sein" enden.

Aber wir waren auch abergläubisch. Wir wussten einfach, dass, wer einen solchen Abschiedsbrief schreibt, dem Teufel die Tür öffnet und beim nächsten Kampf fallen wird. Wir haben es sogar erlebt.

Dany starb sechs Stunden, nachdem er seinen Abschiedsbrief

deponiert hatte. Ist das Einbildung? Da sitzt einer und schreibt einen Brief, als sei er schon tot. Dieser Gedanke nimmt ihm die notwendige Energie, um im Kampf zu bestehen. Er wird angstlieh. Und die Ängstlichen sterben, wie bekannt, als Erste.

Manche behaupten, ein Soldat "spüre" den nahen Tod. Auch

Dany behauptete das und machte ein Riesentheater, um gerade an diesem Einsatz nicht teilzunehmen. Natürlich ist das Unsinn. Zwar kommt es vor, dass sich auch ein nicht ängstlicher Soldat unwohl fühlt, bevor er ausrückt. Aber das liegt am fehlenden Schlaf oder an der Mangelernährung. Auch ich war eines Nachts

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